Erschreckende Diskepanzen bei Krebs-Behandlungsmaßnahmen in Europa

26. Juli 2016 - 11:18

Jeder vierte Todesfall (26 Prozent im Jahr 2013) in der EU ist durch Krebs verursacht. Trotz der Größe des Problems in ganz Europa zieht sich vor allem zwischen West- und Osteuropa eine scharfe Trennlinie bei der Verfügbarkeit moderner Behandlungsmöglichkeiten. Das hat eine Studie der europäischen Onkologengesellschaft ESMO ergeben. Sie wurde jetzt in den Annals of Oncology veröffentlicht.

Nathan Cherny vom Shaare Zedek Medical Centre in Jerusalem, Erstautor der Untersuchung, sagte zu den Ergebnissen: "Die Studie zeigte, dass die Unterschiede zwischen der formellen Erhältlichkeit, den privaten Zuzahlungen und die aktuelle Verfügbarkeit von Krebsmedikamenten am meisten in den jenen Ländern abweichen, die wirtschaftlich nachhinken, speziell in Osteuropa. Und diese Unterschiede sind zu einem Großteil durch die Kosten der neuen Medikamente bedingt, die in den vergangenen zehn Jahren entwickelt und zugelassen worden sind."

Onkologika-Repertoire gewachsen

Die Autoren der Europäischen Gesellschaft für Medizinische Onkologie (ESMO; Sitz: Lugano/Schweiz) haben die Situation für die wichtigsten Krebserkrankungen wie Lungen-, Dickdarm und Mammakarzinome sowie zum Beispiel beim Melanom für 46 europäische Länder analysiert. "Das aktuelle Management von Krebs wird bestimmt durch die Verfügbarkeit, die Leistbarkeit und besonders durch die Erhältlichkeit von Therapeutika durch den einzelnen Patienten (Erstattung durch Spitalsträger, Krankenkassen, Staat etc.; Anm.). (...) Das Repertoire an Onkologika ist in den vergangenen Jahren schnell und erheblich gewachsen", schrieben die Wissenschafter.

Das hat gute Erfolge gezeigt, wie die Autoren feststellten: "Die Entwicklung hat bei manchen Krebsarten die Langzeit-Überlebensraten deutlich gesteigert, öfter aber noch das Leben und die Lebensqualität verbessert." Auf der anderen Seite sei diese Verbesserung der Behandlungsergebnisse in den vergangenen zehn Jahren auch zu einem erheblichen Preis erfolgt. "Der durchschnittliche Preis für Krebsmedikamente pro Monat Behandlung hat sich von 4.500 US-Dollar (4.085,71 Euro) auf mehr als 10.000 US-Dollar (9.079,35 Euro) mehr als verdoppelt."

Klare Trennlinien zwischen West- und Osteuropa

Die Wissenschafter listen in der wissenschaftlichen Arbeit in Tabellen die wichtigsten neuen Krebsmedikamente auf und klassifizieren je Land Erhältlichkeit, Kosten für den einzelnen Patienten bzw. den Erstattungsgrad im jeweiligen Gesundheitssystem. Die klarsten Trennlinien lassen sich zwischen West- und Osteuropa ziehen. Während beispielsweise in Finnland alle der modernsten beim Melanom eingesetzten Medikamente uneingeschränkt und kostenfrei erhältlich sind, gibt es sie in Serbien faktisch nicht. Quer durch alle untersuchten Krebsarten zeigt sich Österreich in einer guten Situation, eine Kostenbeteiligung der Patienten ist via normale Rezeptgebühr nur für jene Onkologika vorhanden, welche außerhalb der Spitäler auf Kassenrezept verschrieben werden. Einzelne der Medikamente werden in Österreich nicht verwendet.

Klar lässt sich an der wissenschaftlichen Arbeit auch erkennen, dass die Zulassung eines neuen Krebsmedikaments durch die Europäische Arzneimittelagentur EMA noch nicht darüber Auskunft gibt, welche Mittel in welchem Land auch für die Patienten eingesetzt werden können: Herstellung/Import, Kauf durch das staatliche Gesundheitswesen, Spitäler oder Krankenkassen, die Anwendung von Behandlungsleitlinien laut den wissenschaftlichen Erkenntnissen und die Beteiligung der Patienten an den Kosten sind das Entscheidende.

Zahl der Krebserkrankungen steigt

Weltweit nimmt die Zahl der Krebserkrankungen und der Todesfälle zu. 2008 gab es insgesamt 12,7 Millionen diagnostizierte Neuerkrankungen, 2012 bereits 14,1 Millionen, stellte zu dem Thema die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einem Bericht fest. Im Jahr 2008 wurden demnach 7,6 Millionen Todesfälle durch bösartige Erkrankungen weltweit registriert, im vergangenen Jahr waren es 8,2 Millionen Opfer. Krebs - die moderne Medizin lässt viele Betroffene zunehmend länger leben bzw. arbeitet daran, aus diesen Krankheiten chronische Leiden zu machen - betrifft mehr und mehr Menschen. 2012 lebten weltweit bereits 32,6 Millionen Personen im Alter über 15 Jahren mit der Diagnose Krebs.

Im Jahr 2000 lebten in Österreich rund 190.000 Menschen mit Krebs, im Jahr 2010 waren es bereits etwa 305.000, im Jahr 2020 werden es wahrscheinlich 390.000 sein. Der Trend nach oben dürfte sich auch nach 2020 weiter fortsetzen. Insgesamt sorgt die aktuelle Situation in der medizinischen Versorgung der österreichischen Krebspatienten dafür, dass die Überlebensraten in internationalen Vergleichsstudien zumeist mit an der Spitze liegen.

(APA,red/Bild,APA-dpa)

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