Wiener Forscher bringen virtuellem Wurm Balanceakt bei

6. Februar 2018 - 10:51

Der kleine Fadenwurm C. elegans ist so etwas wie das Liebkind mancher Wissenschafter. Das liegt vor allem an der Einfachheit seines Nervensystems. Ein internationales Forscherteam hat die übersichtlichen neuronalen Verdrahtungen des Wurms daher komplett in den Computer übertragen. Ein Wiener Team hat es nun geschafft, dem virtuellen Tier beizubringen, einen Stab zu balancieren.

Das analoge Original: C.elegans
Das analoge Original: C.elegans

Genau 302 Nervenzellen (Neuronen) und rund 8.000 Verbindungen zählt das Nervensystem des nur ungefähr einen Millimeter großen Wurms, der in Böden zu finden ist und sich dort vor allem darum bemüht, Bakterien zu fressen. Im Gegensatz zum menschlichen Gehirn mit seinen rund 100 Milliarden Nervenzellen muss das Nervensystem von C. elegans keine herausfordernden kognitiven Aufgaben lösen. Das Tier muss sich in seiner unmittelbaren Umwelt zurecht finden und auf äußere Reize richtig reagieren. Das tut der Wurm reflexartig: Stößt er gegen ein Hindernis, bewegt er sich instinktiv in die entgegengesetzte Richtung, wie es in einer Aussendung der Technischen Universität (TU) Wien heißt.

Wurm lässt sich trainieren

Dieses Verhalten ist fest in den einfachen Verbindungen zwischen den Nervenzellen angelegt. Was Wissenschafter wiederum auf die Idee brachte, das bisher einzige komplett analysierte neuronale System auf den Rechner zu übertragen. Tatsächlich verhält sich der Computerwurm nun so wie seine realen Kollegen, was Forschern neue Zugänge zum Experimentieren eröffnet. Man kann den simulierten Wurm nun sogar richtig trainieren.

Mathias Lechner, Radu Grosu und Ramin Hasani vom Institut für Technische Informatik der TU Wien widmeten sich dem automatischen Ausweichverhalten des Tiers. "Die Aufgabe, die der Wurm mit diesem einfachen Schaltkreis löst, hat eine starke Ähnlichkeit mit einem klassischen Problem aus der Technik - dem Balancieren eines Stabs", so Hasani. Sogenannte computergesteuerte Controller bringen es recht gut zustande, einen Stab zu balancieren, der beispielsweise am unteren Ende eines robotischen Arms festgehalten wird. Droht der Stab zu kippen, wird das durch eine simple, aber rasche Gegenbewegung austariert, und der Stock bleibt stabil.

Das Forscherteam ging der Frage nach, ob das auch C. elegans zustande bringt. Die Vorgabe dabei war, dass das virtuelle Tier keine zusätzlichen Nervenzellen oder Verbindungen dazu bekommt, sondern sich nur die Art der bestehenden Verbindungen verändern darf. Das Nervensystem des Wurm sollte also nicht umgebaut werden, sondern einfach etwas dazulernen.

Verstärkendes Lernen

Die Wissenschafter setzten hier auf verstärkendes Lernen. Dabei winken dem System Belohnungen für bestimmte Aktionen. Es erhält aber vorher keine Informationen darüber, welche Strategie dabei die Richtige ist und muss durch Versuch und Irrtum selbstständig herausfinden, wie es zur Belohnung kommt. So lernte das "Tier" den Stab auf seinem Schwanz zu balancieren. "Das Ergebnis ist ein Controller, der ein reales technisches Problem lösen kann - nämlich das Stabilisieren eines balancierten Stabs. Doch kein Mensch hat je eine Zeile Code dieses Controllers programmiert, er entstand einfach durch Trainieren eines biologisch entstandenen Nervensystems", so Lechner. Für die Forscher wirft ihr Ergebnis zahlreiche neue Fragen an der Schnittstelle zwischen maschinellem Lernen und biologischen Abläufen auf.

Service: https://arxiv.org/abs/1711.03467v1 und http://openworm.org

(APA/red, Foto: APA/Altun/Cr. Commons Share Alike)

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