In Wien ist das Kinderbetreuungsangebot zwar besser als in anderen Bundesländern. Vom flächendeckenden Angebot und starken Ausbau der Kindergartenplätze profitieren allerdings nicht alle Kinder im gleichen Maß: Je "besser" das Wohnviertel, umso mehr Angebot finden die Familien vor, zeigt eine Studie von Forscherinnen der Wirtschaftuniversität Wien. Mehr städtische Kindergärten in benachteiligten Vierteln und mehr Ressourcen für die dortigen Einrichtungen könnten gegensteuern.
Eigentlich würde der Kindergartenbesuch gerade bei Kindern aus benachteiligten Schichten die Bildungschancen verbessern. Problematischerweise würden aber häufig genau jene Kinder fernbleiben, die davon am meisten profitieren würden, betonen die Sozioökonominnen Astrid Pennerstorfer und Michaela Neumayr in einer Aussendung von "Diskurs - Das Wissenschaftsnetz". Das habe einerseits mit den unterschiedlichen Erwerbsquoten von Frauen je nach Wohngegend zu tun, andererseits mit der Leistbarkeit und Verfügbarkeit von Kindergartenplätzen.
Mehr Angebot an Kindergartenplätzen in "besseren" Wohnvierteln
In einem durch den Jubiläumsfonds der Stadt Wien geförderten Forschungsprojekt hat Pennerstorfer, die als assoziierte Professorin am Institut für Sozialpolitik an der WU Wien arbeitet, mit ihrem Team nun gezeigt, dass je nach "Güte" des Wohnviertels (gemessen an Indikatoren wie Bildung, Einkommen und Wohnungspreisen) das Angebot an Kindergartenplätzen variiert: Konkret stehen für Kinder, die in den 25 Prozent der "besten" Wohnviertel leben, zwischen neun und 20 Prozent mehr Betreuungsplätze zur Verfügung als in den "schlechtesten" 25 Prozent. Dafür wurden die Jahre 2007 bis 2014 untersucht. Ihr Befund gelte allerdings bis heute, wie Pennerstofer im Gespräch mit der APA betont. Denn trotz Einführung des kostenlosen Pflichtkindergartenjahrs für die Fünfjährigen habe sich diese Ungleichheit im Zeitverlauf sogar verstärkt.
In einer weiteren Untersuchung haben sich Pennerstofer und Neumayr vom Institut für Nonprofit Management der WU die räumliche Verteilung der Kindergarten-Trägerorganisationen und die Kosten für die Kinderbetreuung angesehen. Das Ergebnis für das Jahr 2020: Während die Kinderfreunde und Kinder in Wien (KIWI) als größte private Betreiber recht gleichmäßig im städtischen Raum verteilt sind, findet man in reicheren Gegenden vor allem private Nonprofit-Kindergärten und -Krippen wie elternverwaltete oder kirchliche Einrichtungen.
Mehr Plätze in städtischen Kindergärten
Die städtischen Kindergärten bieten hingegen besonders viele Plätze in Wohnvierteln mit niedrigem sozioökonomischen Status an und spielen damit laut den Forscherinnen eine wichtige ausgleichende Rolle. Allerdings ist ihr Anteil gering, so Neumayr. "Da sie nur rund ein Drittel aller Plätze in Wien anbieten, können sie die von privaten Betreibern verursachte ungleiche Zugänglichkeit nicht beseitigen."
Je nach Betreiber unterscheiden sich auch die monatlichen Kosten (etwa für Ergänzungsbeiträge, Essensbeiträge): Bei städtischen Betreibern liegen sie unabhängig vom Standort bei 68 Euro, bei Kinderfreunden und KIWI variieren sie kaum nach Wohngegenden, bei den kirchlichen Einrichtungen kann es Unterschiede geben.
Am höchsten sind die Kosten bei den kleinen privaten Betreibern mit durchschnittlich 166 Euro, der Zusammenhang mit dem durchschnittlichen Einkommen im Wohnbezirk ist stark. Je höher das Durchschnittseinkommen in einem Bezirk, desto höher die Preise der privaten, vornehmlich kleinen Betreiber. Ein weiterer Faktor für die Standortwahl dieser Träger in den reicheren Bezirken ist laut Pennerstorfer auch, dass dort Eltern mehr Zeit haben. Immerhin werde ausschließlich in solchen Einrichtungen Mitarbeit durch die Eltern gefordert, und zwar bis zu 32 Stunden pro Monat.
Der Schieflage beim Zugang zu Kinderbetreuung könnte laut Pennerstorfer begegnet werden, indem in Wohngegenden, in denen Eltern diese Ressourcen nicht aufbringen können, mehr Plätze in öffentlichen Kindergärten angeboten werden. "Zudem ist zu überlegen, ob Kinderbetreuungseinrichtungen in manchen Wohngegenden auch aufgrund unterschiedlicher Herausforderungen absolut gesehen mehr Ressourcen benötigen als in anderen."
(APA/red, Foto: APA/HARALD SCHNEIDER)