Weltweit sterben zahlreiche Tier- und Pflanzenarten aus, dafür gibt es unzählige Belege. Doch die Erkenntnisse aus der Naturschutzforschung werden nicht so oft wie nötig angewendet, um die globale Artenvielfalt zu schützen. Warum das so ist und welche Lösungen es gibt, damit Naturschutzwissen in der Praxis ankommt, erörterten Wissenschafter im Fachjournals "Biological Conservation".
Erst im Mai hat der Weltrat für Biodiversität (IPBES) in seinem Zustandsbericht 2019 gewarnt, dass rund eine Million Arten weltweit vom Aussterben bedroht ist und der Mensch als Verursacher des sechsten Massensterbens in die Geschichte eingehen könnte. Der beispiellose Verlust an Arten "bedroht das natürliche Gleichgewicht unserer Umwelt sowie wertvolle Ressourcen und Leistungen, von denen unser Wohlergehen abhängt", erklärte Bea Maas vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien, die gemeinsam mit Kollegen eine Sonderausgabe des Fachjournals zu dem Thema mit 14 Fachartikel herausgegeben hat.
Dabei mangelt es nicht an umfassenden wissenschaftlichen Belegen und Lösungsansätzen, sondern vielmehr an der praktischen Umsetzung. Offensichtlich reicht es aber nicht, einfach genügend Beweise zum Verlust der Artenvielfalt und ihren Auswirkungen zu sammeln und auf die politischen Entscheidungsträger zu hoffen. "Wir brauchen dringend lösungsorientierte Prioritäten, um naturschutzrelevantes Wissen nicht nur anzuhäufen, sondern effektiv in der Praxis anzuwenden", sagte Maas zur APA. Als Gründe dafür, dass das Wissen nicht umgesetzt wird, nennt sie beispielsweise lineare Denkweisen, mangelnde Förderung von Grundlagenforschung und zu wenig fachübergreifende Zusammenarbeit.
Fächerübergreifender Austausch wichtig
"Aus zahlreichen globalen Übersichtsarbeiten zum Thema Naturschutz sehen wir, dass Wissenschafter, Politiker und Entscheidungsträger vorwiegend durch ihr nahes fachliches Umfeld und weniger von fachübergreifendem Austausch oder Zusammenarbeit beeinflusst werden", so Maas. Durch solche "disziplinären Silos" würden eher einseitige Entscheidungen getroffen, die eine praktische Umsetzung von Naturschutzwissen behindern, weil sie nur einer oder wenigen Perspektiven oder Bedürfnissen entgegenkommen. Notwendig sei nicht nur ein enger Austausch von Wissenschaft, Politik und Praxis, auch die Bedürfnisse lokaler Interessensgruppen müssten berücksichtigt werden.
Auch Fehler und Misserfolge von Naturschutzprojekten würden häufig nicht ausreichend dokumentiert. Dadurch könne nicht genug daraus gelernt werden. In vielen Bereichen sei zudem mehr Grundlagenforschung für ein besseres Verständnis komplexer Zusammenhänge notwendig. So seien etwa Insekten oder Pflanzen vergleichsweise wenig erforscht. Und aus vielen Regionen der Welt würden kaum zugängliche Informationen über die Ursachen und Folgen des globalen Artensterbens vorliegen.
Für Maas können "Lösungen für den Naturschutz nur durch ein zeitnahes, konsequentes und nachhaltiges Umdenken und Handeln erfolgen, das die wertvolle Vielfalt von Wissen und Perspektiven berücksichtigt und deren Integration im Naturschutz fördert".
Service: Fachartikel: http://dx.doi.org/10.1016/j.biocon.2019.108290
APA/red Foto: APA/Bea Maas