Wer in Österreich über eine Plattform beschäftigt ist, arbeitet meistens unter schlechten Bedingungen. Das geht aus dem ersten "Fairwork Report" für Österreich hervor, der von der TU Wien und der Uni Wien erstellt wurde. Demnach sind Plattform-Beschäftigte oft nicht sozial- und krankenversichert, arbeiten für geringe Löhne und tragen wirtschaftliche Risiken, die normalerweise der Arbeitgeber übernimmt. Auch gewerkschaftliche Organisation ist meist nur eingeschränkt möglich.
Plattform-Beschäftigte stünden oft nicht in einem Arbeitnehmerverhältnis, sondern seien als freie Dienstnehmer oder Soloselbstständige tätig. Dadurch seien sie nicht automatisch kranken- und sozialversichert, würden also Vorteile wie etwa Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, bezahlten Urlaubsanspruch oder Pensions- und Arbeitslosenversicherung verlieren. Der Plattform entstünden dadurch geringere Kosten als bei einer vollen Anstellung.
Die Art von Arbeitsverhältnis sei stark von der Branche und dem Geschäftsmodell der Plattform abhängig. "Insgesamt lässt sich aber sagen, dass es sich bei Plattformarbeit in Österreich vornehmlich um prekäre Arbeitsverhältnisse handelt", sagte Laura Vogel von der TU Wien bei einem Online-Pressegespräch. Das sei vor allem der Fall, wenn die Löhne nicht über der Armutsgefährdungsschwelle liegen, "hier kann man von sogenannten 'Working Poor' sprechen, also von Menschen, die von Armut trotz Arbeit betroffen sind".
Verdacht auf Schein-Selbstständigkeit
Gleichzeitig würden einige Plattformen die Arbeitsleistung so stark kontrollieren, beispielsweise indem Wege durch die Stadt per GPS getrackt werden, dass es sich nicht mehr um Selbstständigkeit handle. "Wir sprechen da von Schein-Selbstständigkeit, das bedeutet ich schließe formal einen Werkvertrag ab, tatsächlich ist es aber ein Dienstvertrag und das Arbeitsrecht kommt zur Anwendung", sagte Martin Gruber-Risak von der Uni Wien. Nachzuweisen, dass es sich um ein Dienstverhältnis handelt, sei für Beschäftigte aber nicht leicht, weil die gesamte Arbeitsabwicklung in der Regel über eine App stattfinde. Eine neue EU-Richtlinie sieht vor, dass Beschäftigte künftig als Arbeitnehmer angesehen werden, außer die Plattform kann beweisen, dass es sich tatsächlich um Selbstständigkeit handelt.
Die Forscherinnen und Forscher haben die Arbeitsbedingungen von fünf digitalen Plattformen aus den Bereichen Essenszustellung, Lebensmittelzustellung, Fahrdienstvermittlung und Reinigungsarbeit in Österreich untersucht. Dabei konnten drei Plattformen nachweisen, dass die Löhne aller Beschäftigten zumindest über der Armutsgefährdungsschwelle (1.616,16 Euro oder 9,32 Euro pro Stunde brutto für 2021) lagen. Nur bei einer Plattform entsprachen die Löhne den Kollektivverträgen. Vier der fünf Plattformen konnten zeigen, dass sie ihre Beschäftigen vor Risiken bei der Arbeit schützen aber nur eine Plattform bot ihren Beschäftigen einen fixen Dienstvertrag, der sie sozial- und krankenversichert. Alle Plattformen boten transparente Verträge, aber nur eine Plattform konnte nachweisen, dass es darin keine unfairen Klauseln gab.
Gewerkschaftliche Organisation oft nur eingeschränkt möglich
Bei den meisten Plattformen konnten Beschäftigte mit ihren Vorgesetzten kommunizieren, oft war es aber schwierig, Beschwerden von Kunden, die etwa zu Strafen in Form von weniger Aufträgen führten, anzufechten. Auch gewerkschaftliche Organisation war oft nur eingeschränkt möglich. So erlaubten drei der fünf Plattformen Beschäftigten zwar teilweise ihre Meinung zu äußern, keine der Plattformen kooperierte aber vollständig mit einer Gewerkschaft.
Untersucht wurden die Essenszustelldienste Mjam und Lieferando, der Lebensmittelzusteller Alfies, die Fahrdienstvermittlungen Uber und Bolt und der Reinigungsdienst ExtraSauber. Mit 8 von 10 Punkten schnitt Lieferando am besten ab, dahinter folgte ExtraSauber mit 5 Punkten. Mjam erreichte 4 Punkte, Alfies und Uber bekamen 2 Punkte und Bolt rangierte mit 1 Punkt auf dem letzten Platz.
Fairwork ist ein globales Forschungsprojekt des Oxford Internet Institute und des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, das die Arbeitsbedingungen auf digitalen Plattformen bewertet. Das Projekt ist in 28 Ländern vertreten, die Erhebung für Österreich führten Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität (TU) Wien und der Universität Wien durch. Finanziert wird das Projekt in Österreich durch Forschungsförderungen, öffentliche Stellen und Arbeitnehmervertretungen.
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