Mehrere Soziologen haben eine Arbeitszeitverkürzung, finanziert durch staatliche Zuschüsse, vorgeschlagen. Zwei in Deutschland lehrende Sozioökonominnen und der Soziologe Jörg Flecker von der Uni Wien stellten im Rahmen einer Online-Pressekonferenz von "Diskurs. Das Wissenschaftsnetz" mehrere Ideen für kürzere Arbeitszeiten vor, um Arbeitsplätze in der Coronakrise zu schaffen und zu erhalten.
Flecker verwies auf den unterschiedlich hohen Personalaufwand verschiedener Branchen und schlug als Ausgleich vor, die Sozialversicherungsbeiträge auf eine Wertschöpfungsabgabe umzustellen. Entscheidend seien Regeln, um die Arbeitszeit tatsächlich zu verkürzen. So gelte in Norwegen eine Wochenarbeitszeit von 37,5 Stunden und die tatsächliche Wochenarbeitszeit liege im Schnitt bei 37,8 Stunden. In Frankreich hingegen sei die tatsächliche Arbeitszeit trotz 35-Stunden-Woche über die Jahre wieder auf 39 Stunden gestiegen.
Die in Berlin lebende Sozioökonomin Stefanie Gerold erklärte, dass empirische Studien zu dem Schluss kommen, dass eine Arbeitszeitverkürzung positive Effekte auf die Beschäftigung habe. Da aber eine kürzere Arbeitszeit zu höheren Kosten für ein Unternehmen führt, die womöglich durch einen Stellenabbau ausgeglichen werden müssen, schlägt Gerold unter anderem staatliche Zuschüsse vor. Wichtig sei, dass Firmen nicht zu stark belastet würden und die Mitarbeiter nicht die vollen Kosten tragen müssten.
Arbeitsplätze sichern
Gerold lenkte des Blick auf das Beispiel von Volkswagen aus 1993. Beim deutschen Autobauer seien damals 30.000 Arbeitsplätze gesichert worden, weil die Mitarbeiter ihren Stundenausmaß von 36 auf 28,8 Stunden reduziert und auf 16 Prozent ihres Einkommens verzichtet hätten. Gerold verwies auch auf das Solidaritätsprämienmodell des Arbeitsmarktservice (AMS) und ging auf Vorschläge von SPÖ, Gewerkschaft und Arbeitskammer ein. Ein arbeitsmarktpolitischer Hebel ist für Gerold die Knüpfung von Förderungen an Neueinstellungen.
Die an der Universität Duisburg-Essen lehrende Professorin Miriam Rehm betonte, dass eine Arbeitszeitverkürzung geschlechtergerecht gestaltet sein müsse. In der Coronakrise habe sich gezeigt, dass Frauen aus der Erwerbsarbeit herausgefallen seien, um die Betreuung der Kinder zu übernehmen. Sie schlug eine Vier-Tage-Woche vor, getragen vom Mitarbeiter selbst, dem Arbeitgeber und aus Steuermitteln.
"Diskurs. Das Wissenschaftsnetz" ist ein Verein, dessen Ziel es ist "evidenzbasiert im öffentlichen Diskurs zu intervenieren". So äußerten sich Mitglieder des Netzwerkes in der Vergangenheit kritisch zur Rettung der Austrian Airlines (AUA) und zum Handelsabkommen Mercosur. Die Initiative bringt sich medial auch in umweltpolitischen und sozialen Fragen ein.
APA/red Foto: APA/APA (dpa)