15.12.2021, 13:23 Uhr

Nachwuchswissenschafter wollen Aus für Kettenverträge an Unis

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Nachwuchswissenschafter fordern eine Abschaffung der Kettenvertragsregelung an den Universitäten. Stattdessen sollten unbefristete Verträge zur Normalität werden, hieß es am Mittwoch bei einem Online-Pressegespräch der Initiative "Diskurs. Das Wissenschaftsnetzwerk". Generell als problematisch empfunden wurde der Fokus auf Wettbewerb in der Wissenschaft - das führe zu zahlreichen negativen Implikationen.

Im allgemeinen Arbeitsrecht ist eine mehrmalige Aneinanderreihung von befristeten Verträgen ohne sachliche Rechtfertigung nicht zulässig - im Universitätsgesetz (UG) wird davon seit jeher eine Ausnahme gemacht. Zuletzt wurde mit einer UG-Novelle die Kettenvertragsregelung neu gefasst. Wie bisher dürfen befristete Arbeitsverhältnisse höchstens auf sechs Jahre abgeschlossen werden. Anschließend darf höchstens zweimal verlängert bzw. ein neuer befristeter Vertrag geschlossen werden. Die Höchstdauer aller befristeten Verträge zusammen darf aber insgesamt acht Jahre nicht übersteigen. Von diesen Regeln gibt es aber (entweder bei der Dauer der Befristung oder der Zahl der möglichen Verlängerungen) wieder zahlreiche Ausnahmen - etwa für studentische Mitarbeiter, Doktoranden, Mitarbeiter in Drittmittelprojekten, Lektoren und Karenzvertretungen.

Für Arbeitgeber "bequeme Situation"

Wenn Forscherinnen oder Forscher nach Auslaufen der Befristungsmöglichkeit sich nicht erfolgreich um eine unbefristete Stelle - etwa eine Professur - beworben haben, müssen sie die jeweilige Universität verlassen. Das hielt der Literaturwissenschafter Philipp Sperner, derzeit Junior Fellow am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK), für unsinnig. "Welches Unternehmen bildet Nachwuchs aus, um diese Personen dann nach acht Jahren zu entlassen, wenn sie nicht Chef geworden sind?"

Diese Regelung versetze die Unis als Arbeitgeber in eine "bequeme Situation", meinte Stephan Pühringer, Post-doc Researcher am Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft an der Uni Linz. "Die müssen niemanden kündigen, die Zeit läuft einfach ab." Dabei sei in Österreich der Anteil der befristeten Stellen mit knapp 80 Prozent vergleichsweise hoch. In den Niederlanden betrage er etwa 42 Prozent, in Großbritannien 35 Prozent. Diese Verknappung unbefristeter Stellen führe zu einem hohen Wettbewerbsdruck.

Pühringer stellte auch insgesamt die Fokussierung auf Wettbewerb im Wissenschaftssystem in Frage. Das Argument, dass dieser zu einer effizienten Verteilung von Jobs führe und Innovation fördere, sei ein Mythos. Der ständige Druck, sich seine nächste Stelle durch die Veröffentlichung neuer Arbeiten zu sichern, führe etwa zu Publikationsnetzwerken und Zitationskartellen.

In Existenz bedroht

Die Vergabe von Mitteln aufgrund von Wettbewerbsfaktoren vereinfache zwar die Verteilung von Ressourcen, meinte Pühringer. Gleichzeitig gebe es dadurch nur wenige Gewinner, die sich dadurch eine unbefristete Stelle oder Forschungsmittel sichern könnten - die wesentlich größere Anzahl an Verlierern sei dagegen in der Existenz bedroht.

Aber auch für Forschung selbst habe dies negative Konsequenzen, betonte Stefanie Widder, Postdoc an der Medizin-Uni Wien und Sprecherin des Elise-Richter-Netzwerks. "Wenn ich ständig meine Existenz absichern muss, werde ich keine risikoreichen Vorhaben eingehen und im Mainstream arbeiten. Das schadet der Innovation."

Generell müsse man sich an den Universitäten auch alternative Karrieremodelle überlegen, so Widder. Die Wirtschaft habe dies ja durchaus vorgelebt und diverse Karrieremodelle geschaffen. "An den Unis wird man entweder Professor oder man steht vor der Tür."

Neben allgemeiner Kritik wurden aber auch Detailregelungen moniert. So würden sich etwa Lehraufträge auf die Höchstdauer der Befristung auswirken - wer also etwa während eines Drittmittelprojekts eine Lektorenstelle übernimmt, dessen maximale Anstellungsdauer verringert sich zusätzlich. Umgekehrt sei aber Lehrerfahrung wieder von Vorteil, wenn man sich für eine unbefristete Stelle bewerben wolle.

APA/red Foto: APA/HELMUT FOHRINGER