Geht es nach den Rektoren der Pädagogischen Hochschulen (PH), sollten die Bildungsdirektionen Lehramtsstudierende nicht vor Ende des vierten Semesters anstellen dürfen - und zwar gerade in Zeiten des Lehrermangels. "Wir müssen tatsächlich aufpassen, dass wir die Studierenden nicht zu früh verheizen. Sonst prolongieren wir das Problem", warnt der Vorsitzende der Konferenz der österreichischen PH-Rektorinnen und -Rektoren (RÖPH), Walter Vogel, im Gespräch mit der APA.
Wenn Studierende keinen Abschluss machen, weil sie ausbrennen, fehle dieses Personal erst recht wieder - und das für Jahrzehnte, so der Rektor der PH Oberösterreich. Wegen Personalengpässen stehen Studentinnen und Studenten mittlerweile immer früher in der Klasse. In Oberösterreich gibt es bereits Studierende, die im zweiten Semester unbegleitet in Schulen unterrichten. "Das halten wir für ein Riesenproblem."
Die Rektoren sorgen sich dabei auch um die Qualität. Studierende müssten einmal Abstand zu dem bekommen, wie sie Schule als Schülerinnen und Schüler erlebt haben, Theorie erlernen und eine gute Praxisbegleitung erhalten. Wird schon früh parallel zur Ausbildung viel unbegleitet unterrichtet, sei die Gefahr groß, dass die Studierenden nicht viel vom Studium mitnehmen.
Ist einmal ein Großteil des Bachelorstudiums abgeschlossen, könne man den Rest auch durchaus berufsbegleitend studieren, betont Vogel - wobei die Studierenden hier idealerweise - so wie früher beim Unterrichtspraktikum - etwa eine halbe Lehrverpflichtung haben und nicht in mehreren Fächern vielleicht sogar an verschiedenen Schulen im Einsatz sein sollten.
Corona hat Mangel intensiviert
Der derzeit heiß diskutierte Lehrermangel ist aus Vogels Sicht in bestimmten Schulformen bzw. Bezirken ein größeres Problem und Corona habe das intensiviert. "Bundesweit gesehen sind die Zahlen nicht erfreulich, aber es bricht das gesamte System bei weitem nicht zusammen." Man könne sich noch mit Überstunden bzw. dem Einsatz von pensionierten Pädagogen oder noch nicht voll ausgebildeter Lehrern (Lehramtsstudenten, Quereinsteiger) behelfen.
Vogel verweist dabei auch auf die Demografie: Aktuell gebe es beispielsweise in Oberösterreich um rund ein Fünftel weniger Jugendliche und damit auch weniger potenzielle Lehramtsstudenten als vor zehn Jahren, gleichzeitig gingen viele Ältere gleichzeitig in Pension - wie in vielen anderen Bereichen auch. "Da muss man durchtauchen." Wichtig sei jedenfalls, dass genügend Leute in der Ausbildung sind und "Systeme aufgebaut werden, damit in ein paar Jahren wieder Normalität herrscht".
In der aktuellen Diskussion um mögliche Änderungen bei der Lehrerausbildung gibt es für die RÖPH ein paar rote Linien: So habe die international übliche Bachelor-Master-Struktur eine Aufwertung gebracht, die man nicht wieder aufgeben sollte. Außerdem dürfe die Gesamtstudiendauer nicht unter den international üblichen zehn Semestern (300 ECTS) liegen. Derzeit sind es acht Semester Bachelor- sowie zwei Semester (für die Primarstufe) bzw. vier Semester (Sekundarstufe) Masterstudium.
Auch die Studienstruktur mit einer Ausbildung für die Primarstufe (Sechs- bis Zehnjährige) und die Sekundarstufe (Elf- bis 19-Jährige) unabhängig von der Schulform, in der die Lehrer später arbeiten, wollen die PH-Rektoren grundsätzlich beibehalten. Allerdings können sie sich vorstellen, in Bereichen mit besonders großem Lehrermangel "Bypässe" zu legen und ein paar Jahre lang spezielle Studien anzubieten, bis der Mangel dort wieder behoben ist. Als Beispiel nennt Vogel die Ausbildung für Religionslehrer im Pflichtschulbereich oder für die Mittelschule.
Praxisfernes Studium?
Dass das 2015 bzw. 2016 umgestellte Studium im Vergleich zum früheren System praxisfern sei, wie etwa die Lehrergewerkschaft oft bekrittelt, will Vogel so nicht gelten lassen - auch wenn es da und dort Nachbesserungsbedarf gebe. "Wenn man die Praktika in Bachelor und Master und die Induktionsphase (einjährige Praxiseinführung durch einen erfahrenen Mentor, Anm.) zusammenzählt, hat man nicht weniger Praxis. Sie wird halt über längere Zeit gestreckt." Stehen Studierende schon parallel zum Studium allein in der Klasse, hätten sie davor tatsächlich bisweilen zu wenig Unterrichtserfahrung.
Ein Hebel, um wieder mehr Personen für ein Lehramtsstudium zu gewinnen, könnten aus Vogels Sicht zusätzliche Angebote beispielsweise in Form von Fernstudien sein. "Es ist die Frage, ob man da nicht mehr gewinnt, als wenn man die Studien ändert." Die Idee sei es, eine Studienform anzubieten, die besser zum Leben der Studieninteressenten passt (Stichwort Betreuungspflichten etc.). An der PH Oberösterreich gibt es dieses derzeit in Österreich noch einzigartige Angebot für den Bachelor seit Herbst 2020, der Fernstudienanteil beträgt bis zu 75 Prozent. Die Praxisphasen finden geblockt statt, z.B. bei einer Präsenzwoche zu Studienbeginn bzw. an einigen Wochenenden und in den Praxisschulen in Wohnortnähe.
Der Andrang auf das neue Angebot ist laut Vogel "riesig", die Studierenden kämen aus ganz Österreich. An der PH Oberösterreich seien seither die Studierendenzahlen - trotz weniger potenzieller Anfänger - deutlich gestiegen. Künftig wird das Fernstudium auch in Kooperation mit der PH Vorarlberg angeboten. Beim Masterstudium sieht Vogel auch an den anderen PHs vor allem im Volksschulbereich einen Trend zu berufsbegleitenden Angeboten mit teilweise hohem Distance-Learning-Anteil.
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