Enzyme können als sogenannte biologische Katalysatoren biochemische Reaktionen und Prozesse wesentlich beeinflussen. An der TU Graz will man durch die fachliche Fusion von Biotechnologie, Data Science und Künstlicher Intelligenz (KI) neuartige Enzyme effizienter herstellen. Diese Biokatalysatoren sollen Produktionsprozesse nachhaltiger machen und vor allem schädliche PFAS (Per- und Polyfluorierten Alkylverbindungen) abbauen können, wie die TU Graz am Mittwoch mitteilte.
In der chemischen Industrie werden zurzeit noch enorme Mengen von Energie verbraucht und gleichzeitig Abfall und einer Reihe unerwünschte Nebenprodukte produziert. Neue, umweltfreundliche Prozesse sind gefragt. Enzyme als Biokatalysatoren könnten dabei eine wichtige Rolle spielen - und damit könnte man sogar Per- und Polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) zersetzen, sagte Robert Kourist vom Institut für Molekulare Biotechnologie der TU Graz gegenüber der APA. Diese Stoffe werden als "Ewigkeits-Chemikalien" bezeichnet, weil sie extrem langlebig und widerstandsfähig sind und sich im menschlichen Körper und in der Umwelt nur schwer abbauen.
"Biotechnologie kann unsere Gesellschaft erheblich nachhaltiger machen", hielt Kourist grundlegend fest. Er zeigte sich überzeugt, dass die Integration von Künstlicher Intelligenz die Entwicklung erheblich beschleunigen werde. Dazu bündelt die TU Graz nun ihre Kräfte in Biotechnologie und Künstlicher Intelligenz in einem universitären Leitprojekt. "Wir führen sozusagen zwei Leuchttürme der TU Graz zu einem neuen multidisziplinären Leuchtturm zusammen", wie Kourist im Gespräch erklärte. Er leitet das Lead-Projekt "DigiBioTech", das über die kommenden drei Jahre mit rund zwei Millionen Euro gefördert wird. Rund 20 Forschende sowie zehn Doktorandinnen und Doktoranden aus den Bereichen Biotechnologie, biotechnologische Verfahrenstechnik und Informatik arbeiten darin eng zusammen, um die Vorhersagbarkeit und Steuerung biochemischer Reaktionen und Prozesse deutlich zu verbessern
"In diesem Leadprojekt wollen wir ein gemeinsames Verständnis entwickeln, um für die jeweiligen experimentellen Daten die passende Machine-Learning-Methode zu finden und entsprechend weiterzuentwickeln", ergänzte Robert Peharz vom Institut für Grundlagen der Informationsverarbeitung. So will man bei der Entwicklung neuer Enzyme sogenannte Diffusion Based Generative Models zum Einsatz bringen, die bisher schon häufig zum Generieren von Bildern eingesetzt werden. Zur Eingrenzung der riesigen Zahl von Enzymkandidaten seien wiederum probabilistische Machine-Learning-Ansätze wie zum Beispiel Bayesian Optimization geeignet, wie Peharz ausführte.
Entwickelt und angewendet werden die Methoden in mehreren Teilprojekten, die sich drei Leitthemen widmen: Neben der Entwicklung von Enzymen zum Abbau von PFAS, steht die Herstellung von Bioplastik aus CO2 sowie der Vorhersage und automatisierten Steuerung des Zusammenspiels multipler Enzyme am Arbeitsprogramm. Dafür sollen die mittels KI errechneten Daten in Laborexperimenten verifiziert und anschließend zur Verfeinerung an die KI-Modelle zurückgespielt werden.
"Wir stehen vor der Herausforderung, dass es für Enzymaktivitäten und die biotechnologische Prozesssteuerung wenig öffentlich zugängliche Datensätze gibt", erklärte Gustav Oberdorfer die Problematik. "Daher müssen wir diese selbst durch Experimente erzeugen und dabei die Parameter absolut konstant halten, damit sie möglichst gut für Machine-Learning-Modelle geeignet sind." Die im Rahmen von DigiBioTech gewonnen Daten werden dann öffentlich zugänglich gemacht.
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APA/red Foto: APA/Lunghammer/TU Graz