Der US-amerikanische Chemiker Joseph DeSimone hat auf so unterschiedlichen Gebieten wie 3D-Druck, "grüner Chemie" und Medizin Pionierarbeit geleistet. Kommenden Mittwoch wird er dafür in Wien mit der Wilhelm-Exner-Medaille des Österreichischen Gewerbevereins (ÖGV) ausgezeichnet. Die Inspiration für ein bis zu 100 Mal schnelleres 3D-Druck-Verfahren holte er sich vom Hollywoodfilm "Terminator 2".
3D-Druck ist eine additive Fertigungstechnik, bei der ein Material - typischerweise Kunststoff oder Kunstharz - schichtweise nach im Computer vorgegebenen Maßen aufgetragen wird und am Ende einen Gegenstand bzw. ein Werkstück ergibt. In der Industrie wird die Technologie hauptsächlich für die Erzeugung von Prototypen eingesetzt, weil sie für die Serienproduktion zu langsam ist und es den Teilen oft an mechanischer und thermischer Festigkeit mangelt. Der aus Pennsylvania stammende Erfinder und Unternehmer DeSimone hat diese Mängel zum Anlass genommen, das Verfahren von Grund auf neu zu denken - physikalisch wie auch chemisch.
3D-Druck wird serientauglich
"Wir haben 3D-Druck weg von der reinen Prototypentwicklung gebracht und in ein mächtiges Werkzeug für die Produktion verwandelt", sagte DeSimone im Gespräch mit der APA. Das bisherige Prozedere verdiene das Präfix "3D" kaum, da es eigentlich nur 2D-Druck sei, "immer und immer wieder". Bei dem von DeSimone erfundenen CLIP-Verfahren (Continuous Liquid Interface Production) dagegen wird ein fotosensitives Kunstharz mit UV-Licht gehärtet, während das herzustellende Werkstück nach oben aus dem Harzbad gezogen wird. Die Idee dafür entstand laut DeSimone durch den Film "Terminator 2 - Tag der Abrechnung", bei dem ein Android aus der Zukunft aus einer flüssigen Metalllegierung heraus jede beliebige Gestalt annehmen kann: "Der Film stand im Mittelpunkt, als wir dabei waren, das Verfahren zu entwickeln. Dann wussten wir: Wir wollen, dass das Ding aus einer Lacke entsteht, wie der Terminator."
Die Vorteile des CLIP-Prozesses, der es 2015 auf das Cover des Science-Magazins gebracht hat, seien ein rund hundert Mal schnellerer Produktionsvorgang und eine größere Flexibilität, was die eingesetzten Materialien, deren Formbarkeit und Festigkeit betrifft. Etwa könne man im Unterschied zum herkömmlichen 3D-Druck auch komplexe Geometrien und leichte, hochfeste Gitterstrukturen herstellen. Mit der neuen Technologie sei es möglich, rasch und erstmals auch in hohen Stückzahlen zu produzieren, was bisher nur mit der für Kunststoffteile gängigen Spritzgusstechnik möglich war. Diese habe allerdings den Nachteil, etwa für die Produktion einer komplizierteren Steckverbindung eines Autos oft monatelange und kostspielige Vorbereitungszeit zu beanspruchen und sich so für Kleinserien kaum zu rentieren.
Weltrekord im 3D-Druck
DeSimone war seit 1990 als Forscher an der University of North Carolina at Chapel Hill tätig, widmet sich heute aber hauptsächlich seinem Job als Geschäftsführer des von ihm mitgegründeten Unternehmens Carbon mit Sitz in Kalifornien. Das Unternehmen hat mittlerweile weltweit mehr als 500 3D-Drucksysteme installiert, bis Jahresende sollen es knapp 1.000 sein. Anwendungsmöglichkeiten finden sich von der Automobilindustrie über den Konsumgüter- und Sportartikelbereich, Luft- und Raumfahrt bis zur Medizintechnik. Ein großer Sportartikelhersteller hat laut DeSimone im Vorjahr mehr als 100.000 Paar Laufschuhe mit dem Drucksystem produziert: "Das war das größte Volumen an 3D-gedruckten Objekten in der Geschichte."
Das Momentum für diese Produktionsweise sei gerade erst im Anlaufen, könne aber weitreichende Auswirkungen haben. "Wir werden die Art ändern, wie Polymer-Produkte designt, hergestellt und geliefert werden." Gegenstände immer noch über Ozeane zu verschiffen oder Produkte zehn Jahre lang auf Vorrat in klimatisierten Lagerhäusern zu bunkern, macht für den Wissenschafter keinen Sinn mehr.
"Ich denke, heute geht es um ein Lager in der Cloud, mit 'lebendigen' Teilen. Jedes Teil hat einen Datensatz, man kennt seinen Nutzen, seinen Verwendungszweck und seine Rezyklierbarkeit", erklärt der stets umweltbewusste Wissenschafter die "Geschäftsmodelle der Zukunft", von denen er "zu 100 Prozent" überzeugt ist. Produziert werden solle nur noch nach exaktem Bedarf und nicht mehr "auf gut Glück". "Wir sind etwas Großem auf der Spur und es wird die Art verändern, wie Menschen leben und arbeiten, und das mit einem umweltfreundlicheren Fußabdruck."
350 Artikel und 200 Patente
Der vielfach ausgezeichnete Forscher - darunter die 2016 von US-Präsident Barack Obama verliehene National Medal of Technology and Innovation - hat mehr als 350 wissenschaftliche Artikel publiziert und hält mehr als 200 Patente. Darunter finden sich Verfahren, die halfen, Umweltschäden durch chemische Prozesse zu reduzieren, etwa umweltfreundliche Polymerisationsverfahren basierend auf superkritischem Kohlendioxid zur Herstellung von Kunststoffen wie Teflon. Daraus ging in weiterer Folge auch eine neue Nanofabrikationstechnik hervor (PRINT - Particle Replication in Non-Wetting Templates), mit der neue Möglichkeiten für das Design und die Synthese von Impfstoffen und Medikamenten bis hin zu neuen Krebstherapien entstanden.
Die Wilhelm-Exner-Medaille nimmt DeSimone am 16. Oktober im Rahmen einer ganztägigen Festveranstaltung im ÖGV in Wien entgegen. Die Auszeichnung wird seit 1921 an "herausragende Wissenschafter und Forscher, welche die Wirtschaft direkt oder indirekt durch besondere wissenschaftliche Leistungen in hervorragender Weise gefördert haben", vergeben. Unter den bisher rund 250 Laureaten haben 22 den Nobelpreis erhalten. Die Auszeichnung ist nach dem Wiener Techniker und Forstwissenschafter Wilhelm Exner (1840-1931) benannt.
Service: Die Verleihung der Wilhelm-Exner-Medaille findet am 16. Oktober in Wien statt. Programm und Anmeldung: https://www.wilhelmexner.org/exner-lectures/exner-lectures-2019/
APA/red Foto: APA/Ian Momsen