Die Grundlagenforschung ist in Österreich um die Hälfte unterfinanziert, erklärte Markus Müller, Rektor der Medizinischen Universität Wien, Montagabend bei einer Expertendiskussion zur Drittmittelfinanzierung in Wien. Außerdem sei der Anteil an privaten Zuwendungen an die Wissenschaft im internationalen Vergleich gering bis fast nicht vorhanden.
Um die Wende zum 20. Jahrhundert war die Forschung in Wien in der Blütezeit und es wimmelte von Mäzenen, schwärmte er. Junge, hochbegabte Leute, Geld und die nötigen Infrastrukturen waren vorhanden, doch sie wurden in der Folge vertrieben und zerstört, sagte er. Heute wiederum würde man noch von der Aufbruchstimmung der Kreisky-Jahre zehren, doch das sei nicht mehr lange möglich.
Während die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Asien steigen und in Amerika zumindest gleich bleiben, sind sie in Europa einschließlich Österreich im Fallen begriffen, so Müller. Noch dazu sei die Förderung hierzulande sehr anwendungs- und wenig grundlagenorientiert.
Leistungsbezogene Förderung
Dass sich Forschungsförderung recht sichtbar in Exzellenz niederschlägt, rechnete er am Vergleich mit der Schweiz vor. Mit einem etwa doppelt so hohen Anteil des Bruttoinlandsprodukts (BIPs) würde man dort doppelt so viele Veröffentlichungen erreichen und habe fast zehn mal so viele oft zitierte Forscher (103 versus 12 Personen).
Die einzige Möglichkeit Spitzenforschung an Massenuniversitäten zu fördern, sei durch leistungsbezogene Förderung wie beim Wissenschaftsfonds (FWF), erklärte Helmut Veith von der Fakultät für Informatik der Technischen Universität Wien. Dieser sollte in Zeiten von Budgetproblemen selbstsicherer auftreten und sich nicht mit Kürzungen zufriedengeben, verlangte er. Es gäbe kaum eine Institution, die mit höherer Treffsicherheit Steuergelder einsetzt, so der Informatiker. Um Spitzenforschung beständig zu gewährleisten, bräuchte der Fonds aber das doppelte Budget.
Sinkende Bewilligungsquote
Derzeit ist aber beim Wissenschaftsfonds die Bewilligungsquote im Sinken und würde bis 2020 unter 14 Prozent fallen, wenn nicht "drastische Gegenmaßnahmen" ergriffen werden, sagte Dorothea Sturn vom FWF. Derzeit liegt sie bei etwa 24 Prozent, was schon langfristig zu wenig sei, die Qualität der österreichischen Grundlagenforschung zu erhalten.
Die Experten kritisierten auch durchwegs, dass in Österreich der Anteil an privaten Mitteln in der Forschungsförderung im internationalen Vergleich sehr gering ist. Daran sei etwa die Besteuerung von Zuwendungen aus Stiftungen verantwortlich. So könne man hierzulande etwa keine Stiftungsprofessur generieren, ohne dafür Lohnsteuer zu bezahlen, kritisierte Maximilian Eiselsberg vom Verband Österreichischer Privatstiftungen.
"Es gibt genug reiche Leute in Österreich, und wir müssen Wege und Mittel finden, an sie ranzukommen und sie zu überzeugen, in Forschung zu investieren", so Alexander van der Bellen, Beauftragter der Stadt Wien für Universitäten und Forschung. Wenn der Bund das Stiftungsgesetz wie versprochen bis Weihnachten ändert, sei dies ein erster Schritt.
(APA/red, Bild APA)