Zell-Stress fördert bei Mäusen die Metastasierung bei Krebs

6. November 2018 - 8:41

Wissenschafter vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und vom Heidelberger Institut für Stammzellforschung und experimentelle Medizin (HI-STEM) haben bei Brustkrebs ein zentrales Schalterprotein identifiziert, das bei zellulärem Stress die Metastasierung eines Tumors fördert. Der Schalter löst in den Krebszellen ein Stammzell-Programm aus, das die aggressive Ausbreitung begünstigt.

Forscher untersuchten an Mäusen den Effekt bekannter Chemotherapeutika
Forscher untersuchten an Mäusen den Effekt bekannter Chemotherapeutika

Krebszellen müssen sich mit vielen Widrigkeiten herumschlagen: Ihre rasche Zellteilung führt auf die Dauer zu fehlerhaften Proteinen. Ihre Ernährungssituation und auch die Sauerstoffversorgung sind oft prekär, die Gifte einer Chemotherapie bedrohlich: Wissenschafter sprechen in einer solchen Situation von "zellulärem Stress". Die verschiedenen Stress-Stimuli aktivieren in der Zelle das Enzym JNK (c-Jun N-terminale Kinasen) als zentralen Stress-Schalter. In Krebszellen kann dies vielfältige Auswirkungen haben, je nach Umgebung löst JNK-Aktivität zellulären Selbstmord oder aber ein Überlebensprogramm aus.

Nebenwirkungen der Chemotherapie

"Wir wollten genau wissen, was in Brustkrebszellen nach Aktivierung von JNK passiert", sagte Thordur Oskarsson, Stammzell-Forscher im DKFZ. Bei dieser Untersuchung stießen er und sein Team auf einen direkten Zusammenhang zwischen JNK-Aktivierung und der Entstehung von Metastasen. Die Forscher fanden außerdem, dass auch Standard-Chemotherapien, die bei Brustkrebs gegeben werden, JNK aktivieren und dadurch die Wirksamkeit der Behandlung limitieren.

"Die Medikamente erledigen sicherlich ihren Job und töten Krebszellen ab - haben aber offensichtlich gleichzeitig auch ungünstige Effekte, die berücksichtigt werden sollten", erklärte Oskarsson. Er verwies darauf, dass seine neuen Ergebnisse nichtsdestotrotz neue Chancen eröffnen: "Wir haben gleich drei bisher unbekannte Ansatzpunkte identifiziert, an denen neue Wirkstoffe ansetzen könnten, um die Krebsausbreitung zu bremsen und Resistenz zu verhindern."

JNK fördert Metastasen

Oskarsson und sein Team hatten zunächst Gewebeproben von Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs untersucht. Je mehr JNK-Aktivität sie im Brustkrebsgewebe nachwiesen, desto ungünstiger war der Verlauf der individuellen Erkrankung. Metastasen enthielten mehr JNK-aktive Zellen als Primärtumoren.

Dies bestätigte sich auch bei Mäusen, in denen menschliche Brustkrebszellen zu metastasierenden Tumoren herangewachsen waren. Hier fanden die Forscher besonders eklatante Unterschiede zwischen den winzigen Mikrometastasen, die bis zu 50 Prozent JNK-aktive Zellen enthielten, und fortgeschrittenen Metastasen, wo JNK nur noch in etwa 15 Prozent der Zellen aktiv war. "JNK fördert Beweglichkeit und Invasivität, das ist ein typisches Verhalten aggressiver Krebszellen. Es ist für die Kolonialisierung neuer Gewebe erforderlich und wird wieder heruntergefahren, sobald die Metastase sich etabliert hat", erklärte Jacob Insua-Rodriguez, der Erstautor der Arbeit.

An Mäusen, denen sie menschliche Brustkrebszellen übertragen hatten, untersuchten die Wissenschafter den Effekt bekannter und oft sowie mit gutem Erfolg angewendeter Chemotherapeutika. Die Medikamente Paclitaxel oder Doxorubicin aktivierten JNK in den Brustkrebszellen und lösten das Stammzell-Programm aus. In den Lungenmetastasen der Tiere stieg der Anteil JNK-aktiver Zellen drastisch an, von 20 auf 80 Prozent. Doch wenn die Wissenschafter die Krebsmedikamente in Kombination mit einem JNK-Inhibitor gaben, bildeten sich deutlich weniger Metastasen in der Lunge der Mäuse.

JNK stoppen, Metastasierung drosseln

Doch tatsächlich verantwortlich für das aggressive Verhalten der Brustkrebszellen sind die beiden Proteine SPP1 und TNC, die durch JNK angekurbelt werden: Erhielten die Mäuse Brustkrebszellen, bei denen SPP1 oder TNC genetisch ausgeschaltet waren, blieb die JNK-Aktivität ohne negative Konsequenzen. Wurden diese Tiere mit Chemotherapie behandelt, so war sowohl das Tumorwachstum als auch die Anzahl der Lungenmetastasen signifikant geringer als bei Mäusen, denen normale Brustkrebszellen übertragen worden waren.

SPP1 oder TNC sind Proteine der extrazellulären Matrix, die quasi die Mikroumgebung der Tumorzellen bildet. Die Forscher sehen ihre Ergebnisse daher als einen weiteren Beweis für den erheblichen Einfluss der sogenannten Nische auf den Verlauf einer Krebserkrankung.

"Wir wissen jetzt, dass wir die JNK als zentralen Schalter für die Aggressivität der Brustkrebszellen mit spezifischen Wirkstoffen ausschalten, damit die Produktion der beiden molekularen Hauptakteure SPP1 und TNC stoppen und so die Metastasierung drosseln können", resümierte Oskarsson. "So können wir in Zukunft noch besser untersuchen, wodurch es zur Metastasierung und Therapieresistenz von Brustkrebs kommt - und wir haben vielversprechende neue Ansatzpunkte für die Therapieentwicklung entdeckt."

(APA/red, Foto: APA/APA (Techt))

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