WU-Professorin sieht ihre freie Meinungsäußerung von Post beschränkt

2. September 2019 - 8:59

Sarah Spiekermann, Vorständin des Instituts für Wirtschaftsinformatik und digitale Gesellschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) und Expertin für digitale Ethik, wirft der Post vor, ihre freie Meinungsäußerung durch einen "Drohbrief" einzuschränken. Die Post will hingegen mit einer Klagsdrohung nur die Wiederholung einer "falschen Tatsachenäußerung" verhindert haben.

Spiekermann plädiert für Rechtsschutz durch die Universität
Spiekermann plädiert für Rechtsschutz durch die Universität

"Als Expertin im Bereich der Digitalen Ethik habe ich mir lediglich erlaubt, eine informierte Meinung zum Thema "Ethical Computing" kundzutun", beschreibt Spiekermann in einem Gastkommentar im "Standard" (Freitagsausgabe) ihr Interview im Ö1-Morgenjournal Anfang Jänner. Dort hatte sie die viel kritisierte Datensammlung der Post als "eine unrechtmäßige Beobachtung im Geheimen" bezeichnet. Das ist aber aus Sicht der Post eine falsche Tatsachenbehauptung, da ja die Post niemanden ausspioniert habe, sondern nur Algorithmen rechnen lasse, wie Post-Sprecher Michael Homola auf APA-Anfrage bekräftigte. Falsche Tatsachenaussagen seien aber nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.

Post weist Vorwürfe zurück

Außerdem hatte Spiekermann damals gesagt, "aus ethischer Sicht" dürfe die Post nicht Daten inklusive Parteiaffinitäten, die sie nach irgendeiner Wahrscheinlichkeitsberechnung errechnet hat, verkaufen. Die Post meint, dadurch sei bei "durchschnittlich angesprochenen Interessenten der Eindruck erweckt worden, dass die Österreichische Post rechtswidrig handelt ... und aus ethischer Sicht einen verwerflichen Handel mit Daten betreibt", wie es im Anwaltsschreiben der Post an Spiekermann heißt. Das schädige den Ruf der Post, die die Vorwürfe inhaltlich zurückweist.

Spiekermann unterschrieb die Unterlassungserklärung, wonach sie nicht mehr sagen darf, dass die Post Daten ihrer Kunden nicht verkaufen darf und dass die Post unrechtmäßige Beobachtung im Geheimen anstellt. Allerdings nicht aus inhaltlicher Überzeugung, wie Spiekermann in ihrem Gastbeitrag im "Standard" unter dem Titel "Wenn Professoren mundtot gemacht werden" schrieb.

Vielmehr fühlte sie sich in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Die hausinterne Rechtsabteilung der WU habe ihr nämlich keine Unterstützung gegeben und sie an einen Medienanwalt verwiesen. Dieser habe für knapp 30 Minuten Telefonat 300 Euro in Rechnung gestellt und ihr geraten, die Unterlassungserklärung zu unterschreiben. Selbst die Kosten für den Anwalt habe die Universität nicht übernommen.

Solche Fälle "gar nicht selten"

Spiekermanns Situation ist offenbar kein Einzelfall. Die Rechtsabteilung der WU habe zu dem Anwaltsschreiben nur gesagt, solch ein Schreiben sei "nicht unüblich", so Spiekermann. Der "Standard" zitiert Nikolaus Forgo, Professor für Technologierecht an der Uni Wien, wonach solche Fälle "gar nicht selten" seien. Er wisse von etlichen Kollegen, die entweder Unterlassungserklärungen unterschreiben mussten oder gleich direkt geklagt wurden. Auch Forgo kritisiere, dass es an vielen Universitäten an Rechtsschutzversicherung beziehungsweise an medienrechtlicher Expertise fehle.

Spiekermann plädiert nun für einen Rechtsschutz der Professorinnen und Professoren durch die Universität. "Dann muss der Fall, der hier inhaltlich diskutiert wird, vor die Gerichte gehen. Und die Kosten dafür darf man nicht den Professorinnen und Professoren zumuten, die keine Gehälter dieser Größenordnung beziehen". Professorinnen und Professoren sprächen für und aus dem institutionellen Rahmen heraus, der sie berufen hat. Sie seien als Experten keine Privatpersonen oder freischaffenden Künstler.

(APA/red, Foto: APA/APA (Pfarrhofer))

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