Wiener Uni-Demo gegen den "Supergau im Mittelbau"

23. März 2023 - 16:41

Jungwissenschafter, Mittelbau-Angestellte und Studierende sind am Donnerstag erneut für eine Abschaffung der Kettenverträge an den Universitäten auf die Straße gegangen. Zweitausend Personen - laut Polizei 1.500 - haben sich nach Schätzung der Veranstalter der Demo angeschlossen, die am Nachmittag nahe dem Hauptgebäude der Uni Wien gestartet hat. Die öffentliche Betriebsversammlung war Höhepunkt eines Aktionsmonats gegen prekäre Anstellungen an Uni Wien.

Dem Mittelbau reicht es
Dem Mittelbau reicht es

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Neu: Teilnehmerschätzung der Polizei

In Österreich haben aktuell acht von zehn wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an Unis eine befristete Stelle, an der Uni Wien sind es laut den Demo-Organisatoren sogar 90 Prozent. Die Rednerinnen und Redner zeigten sich bei der Auftaktveranstaltung kämpferisch: Man werde so lange auf die Straße gehen und für Arbeitnehmerrechte kämpfen, bis der Kettenvertrags-Paragraph des Uni-Gesetzes fällt, kündigte Mitorganisatorin Cornelia Dlabaja an.

"Supergau im Mittelbau - genau auf das bewegen wir uns hin", warnte der Vorsitzende des Betriebsrats der Uni Wien, Karl Reiter, in seiner Rede. Es gebe an der Uni Wien mittlerweile an die 100 Wissenschafter, die ihre bewilligten Forschungsprojekte nicht mehr durchführen könnten, weil sie wegen der Auslegung der Kettenvertragsregelung die Uni verlassen mussten. Der Paragraph 109 müsse entweder abgeändert werden, oder es brauche Sanktionen für Unis, die diesen nicht im ursprünglichen Sinne umsetzen - nämlich mehr Wissenschafter unbefristet anzustellen.

Kettenverträge sind eine Ausnahme für Unis

Anders als im allgemeinen Arbeitsrecht sind Kettenverträge an den Unis erlaubt. Seit der Novelle des Uni-Gesetzes von 2021 gilt eine Höchstdauer von sechs Jahren, anschließend darf höchstens zweimal verlängert bzw. ein neuer befristeter Vertrag geschlossen werden. Die maximale Höchstdauer aller befristeten Verträge sind in der Regel acht Jahre, danach muss der betreffende Forscher entweder einen unbefristeten Vertrag bekommen oder die betreffende Uni verlassen.

Durch diese Regelung drohe aber das System zu kollabieren, warnte Julia Heinemann von der Initiative Unterbau der Uni Wien. Unis und Ministerium würden sich gegenseitig die Schuld an der Situation zuschieben, für eine Lösung fühle sich niemand zuständig. "Wir werden diese Situation nicht mehr länger akzeptieren", kündigte ihr Kollege Mario Keller weiteren Widerstand an. Es könne nicht sein, dass Menschen jahrelang ihr Herzblut in exzellente Lehre steckten und sich davor fürchten müssten, in ein paar Monaten oder Jahren auf der Straße zu stehen.

Auch die Studierenden würden laut Heinemann darunter leiden, wenn ihre Lehrenden prekär beschäftigt werden und sich alle paar Jahre neues Lehrpersonal erneut einarbeiten müsse. Noch dazu mache keine Gruppe an den Unis mehr für die Studierenden als die befristeten Wissensarbeiter und Lektoren, betonten Basisgruppenvertreter bei der Demo, die von der Initiative Unterbau Uni Wien organisiert wurde. Von der Uni Wien zog sie am Nachmittag weiter zum Bildungsministerium und zur Technischen Uni Wien, wo sich der Mittelbau mittlerweile ebenfalls organisiert. Unterstützt wurde die Demo neben der Initiative NuWISS, der IG LektorInnen und WissensarbeiterInnen, dennBasisgruppen und der Gruppe "Erde brennt" auch von der Arbeiterkammer (AK).

Zu einem differenzierten Blick auf das Thema Befristungen hat unterdessen am Donnerstag Michael Lang, Vorsitzender des Uni-Dachverbands und Vizerektor der Wirtschaftsuni, in einem Gastkommentar im "Standard" gemahnt. Befristet seien in der Regel Dissertanten, die sich nach Abschluss der wissenschaftlichen Ausbildung für eine andere Position bewerben können, und über Drittmittel finanziertes Personal. Ab dem Postdoc-Level hätten 60 Prozent der hauptberuflich tätigen Wissenschafterinnen und Wissenschafter einen unbefristeten Vertrag oder eine Laufbahnstelle, die bei Erreichen der vereinbarten Qualifizierungsziele zur Entfristung führt. Die befristeten Stellen seien außerdem wichtig, damit an den Unis nicht alle in einem Fach verfügbaren Stellen von Personen in ähnlichem Alter besetzt werden und der Zugang zum Wissenschaftsbetrieb auch in den nächsten Jahrzehnten offensteht. "Kündigungskultur" sei keine Alternative, um Erneuerung sicherzustellen. Immerhin spreche man von lauter hochqualifiziertem Personal.

(APA/red, Foto: APA/APA/TOBIAS STEINMAURER/TOBIAS STEINMAURER)

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