Wiener Psychologe hinterfragt in neuem Buch "Intelligenz"-Mythen

20. Oktober 2021 - 10:23

Rund um das Thema Intelligenz scheiden sich bekanntlich die Geister: So gut wie niemand möchte als unintelligent gelten, Hochbegabung wird aber mitunter auch skeptisch beäugt. Der Psychologe Jakob Pietschnig legt nun eine populärwissenschaftliche Übersicht zur menschlichen Intelligenz vor, bei der er mit vielen Mythen um das schwer zu fassende Konstrukt aufräumt. Das gerät zum nicht immer ganz einfach verdaulichen Aufriss seines Forschungsgebietes.

Wie "hell" Menschen sind, lässt sich nicht leicht feststellen
Wie "hell" Menschen sind, lässt sich nicht leicht feststellen

Eines vorweg: Wer sich an der Aussage "Intelligenz ist, was Intelligenztests messen" stößt, hat es mit den Ausführungen des am Institut für Psychologie der Entwicklung und Bildung der Universität Wien tätigen Wissenschafters vermutlich eher schwer. Denn immer wieder im Rahmen diverser Trendzyklen auftretenden Erweiterungen des Begriffes, etwa um die "Emotionale Intelligenz" oder Ansätze, die mehr oder weniger alles als eine Art Intelligenz einstufen, steht Pietschnig äußerst skeptisch gegenüber.

Erkenntnisgeschichtliche Aufarbeitung

So bleibt er am Beginn des Buches auch größtenteils strikt bei einer Erzählung der wissenschaftlichen Erkenntnisgeschichte. Die ist gespickt mit mehr oder weniger geglückten Versuchen, sich dem sich so konsequent einer direkten Messung und Abschätzung entziehenden Phänomen anzunähern. Auf dem Weg zu den ersten belastbaren Intelligenztests streift der Wissenschafter biologische Grundlagen und auch die ersten Halb- und Unwahrheiten, die etwa über vermeintliche Intelligenzunterschiede zwischen Frau und Mann da und dort kursieren. Die Auseinandersetzung mit den Grundlagen seines Faches arbeitet Pietschnig zwar möglichst allgemeinverständlich auf, die Materie selbst erweist sich aber auch in diesem Aufzug stellenweise als recht spröde.

Das wird jedoch anders, wenn sich der Psychologe daran macht, allerlei Sackgassen in der Forschung, Mythen und puren, beispielsweise von Geschäftemachern in Umlauf gebrachten Unfug auseinanderzunehmen. Als Einstieg dienen Pietschnig oft Anekdoten aus der Populärkultur, die jedoch die Sicht vieler Menschen erstaunlich nachhaltig prägen. So räumt der Autor mit dem weitverbreiteten Mythos des irgendwie anderwärtig beeinträchtigten Hochbegabten auf. Pietschnig stellt auch klar, dass sich in Studien über lange Zeiträume hinweg sehr wohl zeigt, dass ein gutes Abschneiden in Intelligenztests mit vielen positiven Entwicklungen im Leben, wie etwa besserer Gesundheit, einhergehen kann. Auf selbstironische Art vorgetragen erfährt der Leser auch, warum es eher keine gute Idee ist, einem nahestehende Menschen selbst kognitiven Leistungstests zu unterziehen.

Geistig agil bleiben

Ein großes Steckenpferd des Forschers sind Fragen zum sogenannten Flynn-Effekt. Dahinter verbirgt sich die Beobachtung, dass Menschen im Schnitt weltweit über viele Jahrzehnte hinweg seit Anfang des 20. Jahrhunderts immer höhere Leistungen in Intelligenztests erzielen. Was auch hinter den Hinweisen auf eine Umkehrung des Effekts in jüngeren Jahren steckt, erklärt Pietschnig leichtfüßig. Ebenso verhält es sich beim seit den 1990er-Jahren immer wieder quasi "viral" gehenden "Mozart-Effekt" - einem ominösen Boost für die Intelligenz durch das Hören eines bestimmten Mozart-Stückes. Bei all den entlarvenden Informationen zu vermeintlich verheißungsvollen, aber sinnlosen hochgestochenen Methoden zur Erhöhung der Intelligenz bleibt letztlich die Einsicht, dass es sich einfach auszahlt, sich auch in höherem Alter mit verschiedenen Denkaufgaben auseinanderzusetzen und geistig möglichst agil zu bleiben.

Von Nikolaus Täuber/APA

Service: Jakob Pietschnig: "Intelligenz", Ecowin, 216 Seiten, 24 Euro

(APA/red, Foto: APA/APA/dpa)

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