Wiener Nuklearsymposium: Kernkraft als zweifelhafter Klimaretter

19. September 2019 - 10:05

Die Hoffnung, mit dem Ausbau der Kernkraft massiv CO2-Emissionen einzusparen, ist laut Experteneinschätzung eher ein Wunschtraum. Die vergleichsweise wenigen derzeit betriebenen Atomkraftwerke würden nur einen geringen Beitrag zum Klimaschutz leisten, ein massiver Ausbau würde aber schnell zu Problemen führen, sagte Risikoforscher Nikolaus Müllner im Vorfeld des "Wiener Nuklearsymposiums" zur APA.

Symposium widmet sich der Frage, ob AKW tatsächlich CO2-neutral sind
Symposium widmet sich der Frage, ob AKW tatsächlich CO2-neutral sind

Im Rahmen der Konferenz, die am 20. September in Wien über die Bühne geht, widmen sich Wissenschafter u.a. der Frage, ob Atomkraftwerke tatsächlich CO2-neutral sind. Die verkürzte Antwort darauf lautet in etwa: "Ja, aber nicht mehr lange."

Uran: eine endliche Ressource

In ihrer "Evaluation einer hypothetischen nuklearen Renaissance" (EHNUR) haben sich die Forscher um Müllner vom Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien mit dem "recht umstrittenen" Potenzial der Kernkraft als Klimaretter auseinandergesetzt. Im laufenden Betrieb emittiert ein Kernkraftwerk tatsächlich sehr wenig CO2. Über die gesamte Lebensdauer einer Anlage müssten aber auch der Treibhausgas-Ausstoß beim Abbau und bei der Anreicherung des Urans eingerechnet werden. Für alle Kraftwerke hier einen einheitlichen Wert anzugeben, sei schwierig, sagte Müllner.

Im Grunde könne man sagen, dass der Abbau so lange als einigermaßen CO2-neutral angesehen werden kann, wie relativ leicht zugängliche Vorkommen erschlossen werden können. Hier gibt es allerdings ein Limit, denn diese Uranressourcen sind nicht unendlich. "Es ist daher anzunehmen, dass sich die CO2-Bilanz verschlechtert", so der Forscher. Insgesamt schätzen Experten, dass abbaubare Uran-Vorkommen beim dezeitigen Verbrauch nur noch zwischen 50 und 150 Jahre verfügbar sein werden.

Damit die noch halbwegs klimaneutrale Kernkraft beispielsweise alle aktuell laufenden Kohlekraftwerke ersetzen kann, müssten bis zu zehn Mal mehr Anlagen ans Netz gehen. Wäre dem so, wäre bei den derzeit verwendeten Leichtwasserreaktoren in allerspätestens 15 Jahren das für diesen Reaktortyp benötigte Uran-235 nicht mehr verfügbar. Wenn Kernkraft als Klimaretter propagiert wird, "läuft man also in eine ganze Reihe von Schwierigkeiten hinein", sagte Müllner.

Steigendes Risiko für Atomunfälle

Dazu zählt nicht zuletzt auch das steigende Risiko für schwere Atomunfälle, das sich durch die schiere gesteigerte AKW-Anzahl oder auch die notwendigen Verlängerungen der Laufzeiten alter Anlagen erhöhe. Rasch klimawirksam würde ein Ausbau auch nicht, denn zumindest in Europa und den USA dauere es in der Regel rund 20 Jahre vom Plan bis zur Nutzung eines AKWs. Müllner: "In China ist das etwas anders." Neue Kraftwerksdesigns, die etwa auf die Verwendung von Plutonium setzen, stecken eher noch in den Kinderschuhen.

Die Internationale Atomenergie-Organisation IAEO gehe davon aus, dass die aktuell bestehende AKW-Flotte in näherer Zukunft im Grunde erhalten bleibt. "Dann muss man sagen, dass die Kernenergie sicher kein Klimaretter ist, sondern sie leistet als eine Energiequelle von vielen einen kleinen Beitrag beim Einsparen von CO2 von ein paar Prozent", zeigte sich der Wissenschafter überzeugt. Angesichts des Risikos schwerer Unfälle oder des Endlagerproblems müsse sich die Politik und Gesellschaft die Frage beantworten, ob es sich unter diesem Umständen auszahlt, Atomenergie zum Wohle des Klimas tatsächlich zu forcieren. "Es ist einfach eine Hochrisikotechnologie", so Müllner.

Service: Homepage des Symposiums und des "EHNUR"-Projekts: http://www.nuklearsymposium.at und http://www.risk.boku.ac.at/EHNUR/

(APA/red, Foto: APA/APA (Fohringer))

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