29.8.2024, 20:26 Uhr

Wie viele Arten bei Trennung von Mittelmeer und Atlantik verschwanden

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Vor ungefähr fünfeinhalb Mio. Jahren wurde das Mittelmeer - eigentlich ein Nebenmeer des Atlantiks - von seinem Mutterozean für längere Zeit getrennt. Das hatte verheerende Folgen für das Gebiet. Mit dem dramatisch sinkenden Meeresspiegel stieg der Salzgehalt in den verbleibenden Becken, die eher dem heutigen Toten Meer ähnelten. Wie dramatisch die Folgen für die Artenvielfalt waren - und was ein "Salzriese" damit zu tun hat, zeigen nun Forscher im Fachblatt "Science".

Die Messinische Salzkrise

Dass die einstige Trennung der beiden Meere durch plattentektonische Verschiebungen zur sogenannten "Messinischen Salzkrise" geführt und das damalige Ökosystem massiv beeinflusst hat, ist naheliegend. Immerhin dauert diese Krise in etwa von 5,97 bis 5,33 Millionen Jahre vor unserer Zeit. "Unsere Studie stellt die erste statistische Analyse einer so großen ökologischen Krise dar", so die Leiterin der 29 Wissenschafterinnen und Wissenschafter umfassenden Analyse, Konstantina Agiadi vom Institut für Geologie der Universität Wien in einer Aussendung.

In gemeinsamer Arbeit konnte das Team nun erstmals durchgehend analysieren, wie die Artenzusammensetzung im Zeitraum vor zwölf bis 3,6 Millionen Jahren in etwa ausgesehen haben könnte. Dazu erforschte man Fossilien aus verschiedenen an das Mittelmeer angrenzenden Ländern, und sah sich an, welche Relikte früheren Lebens über den Zeitverlauf hinweg in aus der Tiefsee genommenen Bohrkernen liegen.

Entstehung von "Salzriesen"

Der Mittelmeerraum sah währen der Salzkrise jedenfalls völlig anders aus als derzeit. So ist davon auszugehen, dass das riesige Becken mehrmals nahezu ganz ausgetrocknet ist. In den verbliebenen Wasserbecken, die teils mehrere Kilometer unter dem Meeresspiegel lagen, stieg dementsprechend der Salzgehalt - vergleichbar mit dem heute ebenfalls weit unter dem Meeresspiegel liegenden Toten Meer an der Grenze zwischen Israel und Jordanien. Die Abtrennung vom Atlantik führte darüber hinaus zu einer massiven Veränderung des regionalen Klimas in Richtung höherer Temperaturen, schreiben die Forscherinnen und Forscher in der Arbeit. All das führte auch zu Salzablagerungen unvorstellbaren Ausmaßes - sogenannten "Salzriesen".

Mehrere solcher Ansammlungen sind mittlerweile auf der ganzen Welt bekannt, auch die seit Jahrtausenden genutzten Lagerstätten in den Alpen, wie etwa jene in Hallstatt zählen dazu. Ein Salzriese unter dem Mittelmeer, der aus der "Messinischen Salzkrise" stammt, wurde bereits in den 1970er Jahren nachgewiesen, heißt es in der Aussendung.

Verheerende Auswirkungen

All diese Umwälzungen hatten laut den Analysen des Teams verheerende Folgen für das Leben im Mittelmeer - vom Nano-Plankton bis zu komplexen Tieren: Demnach tauchten 67 Prozent der vor der Krise dort lebenden Arten danach nicht mehr auf. Außerdem überstanden die Verwerfungen nur 86 von 779 Arten, also rund elf Prozent, die einst exklusiv nur im Mittelmeer vorkamen. So wurden die Wanderungen von Meeresorganismen, wie etwa des Planktons, die die Grundlage der Nahrungsketten bilden, nachhaltig gestört.

Überdies erlaubten die akribisch zusammengetragenen Daten den Wissenschaftern eine Abschätzung des Zeitraumes, den es brauchte, bis sich das Ökosystem in dann neuer Zusammensetzung nach dem Aufgehen der Straße von Gibraltar wieder erholt hatte. Demnach dauerte dies über 1,7 Millionen Jahre, so die Wissenschafter. Von Westen - also der Verbindung zum Atlantik kommend - wanderten auch wieder neue, an der Spitze der Nahrungskette stehende Arten wie der Weiße Hai oder Delfine zu. Der Verlauf der Neubesiedlung nach der Krise sei im Mittelmeer immer noch sichtbar: So ist die Artenvielfalt im Nordwesten auch jetzt höher als im Südosten des Meeres.

Für Daniel García-Castellanos von Geosciences Barcelona (CSIC) stellen sich in Folge der Studie mehrere Fragen: "Wie und wo haben elf Prozent der Arten die Versalzung des Mittelmeers überlebt? Wie haben frühere, größere Salzformationen die Ökosysteme und das Erdsystem verändert?" Antworten darauf möchte das Team in Folgeprojekten finden, heißt es.

Service: https://dx.doi.org/10.1126/science.adp3703

APA/red Foto: APA/Konstantina Agiadi