Wie negative geladene Moleküle im All entstehen

22. Juli 2021 - 9:41

Interstellare Wolken aus Staub und Gas sind nicht nur die Geburtsstätten von Sternen. Dort können sich auch chemische Verbindungen bilden, die möglicherweise bei der Entstehung von Leben eine Rolle spielen bzw. gespielt haben. Bis vor wenigen Jahren ging man davon aus, dass es nur positiv geladene Verbindungen in diesen Wolken gibt. Im Fachjournal "Physical Review Letters" berichten nun Innsbrucker Physiker, wie es zur Bildung negativ geladener Ionen kommen kann.

Roland Wester (li.) und Malcolm Simpson demonstrieren die Entstehung negativer Ionen in interstellaren Wolken
Roland Wester (li.) und Malcolm Simpson demonstrieren die Entstehung negativer Ionen in interstellaren Wolken

Negativ geladene Kohlenstoffverbindungen im Weltraum wurden erstmals 2006 entdeckt. Bis dahin ging man davon aus, dass negativ geladene Teilchen rasch durch Kollisionen mit anderen Atomen oder Molekülen bzw. durch UV-Licht zerstört würden. Wie es zur Bildung negativ geladener Ionen kommt, war bisher unklar.

Interessant ist das insofern, als es Ionen braucht, damit in der extremen Kälte des Alls chemische Reaktionen ablaufen. Sie sorgen dafür, dass sich auch unter diesen Bedingungen in den interstellaren Wolken erste, hauptsächlich aus Kohlenstoff und Wasserstoff bestehende Kettenmoleküle bilden können.

Ionenfalle als Herzstück

Die Forschungsgruppe um Roland Wester vom Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck versucht, die Entwicklung elementarer Moleküle im All besser zu verstehen und hat dazu vor einigen Jahren ein eigenes Labor aufgebaut. Herzstück davon ist eine Ionenfalle, "mit der wir, vereinfacht gesagt, das All ins Labor holen können", so Wester in einer Aussendung. Die Apparatur erlaubt es, die Bildung von chemischen Verbindungen im Detail zu studieren.

In ihrem aktuellen Experiment haben die Physiker Moleküle aus drei Kohlenstoffatomen und einem Stickstoffatom erzeugt, diese ionisiert und in der Ionenfalle bei extrem tiefen Temperaturen mit Laserlicht beschossen. Dabei änderten sie die Frequenz des Lichtes kontinuierlich so lange, bis die zugeführte Energie groß genug war, um ein Elektron aus dem Molekül zu lösen.

Rückwärts gedacht

Im Weltall dürfte dieser Prozess genau gegenteilig ablaufen - was allerdings unter Laborbedingungen derzeit einfach nicht nachvollzogen werden kann, wie Wester gegenüber der APA erklärte. "Wir nutzen aus, dass solche Elementarprozesse mit umgekehrter Zeit genauso ablaufen - und wenn ich das verstehe, verstehe ich auch den inversen Prozess", so der Physiker.

Tatsächlich finden sich in interstellaren Wolken solche stabförmigen Moleküle aus drei Kohlenstoff- und einem Stickstoffatom, in denen die Ladung asymmetrisch verteilt ist. Das Molekül hat also an einem Ende mehr positive und am anderen Ende mehr negative Ladung, was man "Dipol" nennt. Dadurch kann es ein freies Elektron einfangen und wird negativ geladen. Damit ist es bereit für weitere Reaktionen - "welche das sein könnten, das ist eine weitere noch ungeklärte Frage", so Wester.

Service: https://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRevLett.127.043001

(APA/red, Foto: APA/Bryan Goff on Unsplash/AG Wester)

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