23.5.2024, 10:06 Uhr

Wahljahr: Wissenschaft appelliert zu mehr Mut

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Mut und Handeln - sie ziehen sich als grundlegender Wunsch - oder stärker: Appell - durch die Wortspenden, die die APA von Vertreterinnen und Vertretern der Wissenschaft angesichts der Europawahl Anfang Juni sowie der Nationalratswahl Ende September eingeholt hat. Nämlich als Basis, um etwa Klimawandel und Desinformation zu bewältigen, wie auch kollaborative Systeme, längerfristige Budgets, Bürokratieabbau oder Innovationsförderung zu stärken bzw. zu realisieren.

"Die Europawahlen im Juni und die Nationalratswahlen im September werden wichtige Weichenstellungen für die Zukunft der Wissenschaft in Österreich und Europa bringen", meinte Elvira Welzig, Geschäftsführerin der Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG). Eine nachhaltige Finanzierung der Wissenschaft und Forschung ist dabei ein weiterhin oft vernommener Appell.

"3+3-Budgets" und damit den Ausbau der dreijährigen Leistungsvereinbarungen "um einen zusätzlichen dreijährigen Finanzierungsausblick" führte etwa Heinz Faßmann, Präsident der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), aus Sicht des Forschungssystems als eine konkrete Notwendigkeit an - "damit Investitionen nicht auf halbem Weg stranden und Forschungsvorhaben sinnvoll geplant werden können". Aber auch der Erhalt und die Aufstockung des Fonds Zukunft Österreich, als "Fonds für die Neugierde", mit dem man z.B. auf neue Forschungsfragen schnell reagieren könne, sei zentral.

Wissenschaftskepsis ernst nehmen

Das Ernstnehmen und Eingehen auf die Wissenschaftskepsis zieht sich ebenfalls durch viele Wunschlisten. Ernstzunehmen sind für Oliver Vitouch, Präsident der Universitätenkonferenz (uniko) und Rektor der Universität Klagenfurt, darüber hinaus aber auch "die einhelligen Warnungen der Wissenschaft vor den katastrophalen Folgen des Klimawandels": "Ein wirksamer 'Green Deal' der EU ist unumgänglich", man habe "bei aller forscherischen Liebe zu den Marsmissionen von NASA und ESA" schlechthin keinen "Planet B". Auch sei die europäische Politik gefordert, wirksame Maßnahmen gegen Hass und Hetze im Netz, Desinformation und den Ruin des Qualitätsjournalismus zu setzen.

Die Stärkung von Europas Forschungsraum wie auch des europäischen Forschungsrates (ERC) sehen Vertreter der universitären wie auch der außeruniversitären Forschung gleichermaßen als wichtig an: "Österreich muss seine Stärkefelder aktiv und verstärkt in EU-Programme einbringen und die Beteiligung an EU-Initiativen forcieren", sagte Brigitte Bach, Sprecherin der Geschäftsführung des Austrian Institute of Technology (AIT). Für das nächste EU-Rahmenprogramm sei "eine Erhöhung des Budgets auf drei Prozent des EU-weiten BIP - das sind mindestens 200 Mrd. Euro -" erforderlich sowie eine Stärkung der zweiten Säule zu "Globale Herausforderungen und die industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas".

Abbau von Bürokratie

"Administrative Vereinfachungen", wie es Horst Bischof, Rektor der Technischen Universität (TU) Graz formulierte, könnten Forschung und Lehre zugute kommen: "Daher wünsche ich mir, dass Universitäten von bestimmten bürokratischen Vorgaben und Regularien ausgenommen werden." Um die Dynamik und Wettbewerbsfähigkeit "unserer Hochschulen zu erhalten, muss der überbordenden Bürokratie ein Ende gesetzt werden. Jahrelange Akkreditierungsverfahren verhindern das rasche Antworten auf dringende Bedürfnisse am Arbeitsmarkt", sagte Kurt Koleznik, Generalsekretär der Fachhochschul-Konferenz (FHK).

Auch die Bildung und Nachwuchsförderung sind zentrale Punkte in den Wunschlisten. "Die Begeisterung fürs Neue, für die Forschung und Fragen der Wissenschaften müssen bis in die Volksschule hinuntergetragen werden", so Koleznik. "Im Blick auf die junge Generation sind Ausbildungssysteme wie Schule und Universitäten neu zu denken", hin zu einem inspirierenden Umfeld für Schülerinnen und Schüler, sagte Sebastian Schütze, Rektor der Universität Wien. Zudem erfordere die Schaffung nachhaltig gestalteter Forschungs-, Lehr-, Lern- und Arbeitsumgebungen an den Unis "weitsichtige Investitionen, den Willen zu mutigen Lösungen und Kooperationen zwischen Universitäten, um Synergieeffekte zu erzeugen".

Der Aufbau kollaborativer Systeme ist ein weiterer oft genannter Punkt. Martin Hetzer, Präsident des Institute of Science and Technology Austria (ISTA), zum Abbau von Barrieren zwischen wissenschaftlichen Disziplinen: "Die komplexen Probleme, die die Herausforderungen unserer Zeit darstellen, scheren sich nicht um künstlich von uns gesetzte Grenzen." Man müsse "die Silos aufbrechen, die oft den Fortschritt behindern", u.a. über eine geänderte Forschungskultur sowie eine Anpassung der Förderstrukturen und Anreize. Transdisziplinäres Forschen, etwa auch im Sinne von "One Health" und damit das "systematische Zusammendenken der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt", strich Petra Winter, Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität Wien, heraus.

Mit Blick auf die Unternehmensforschung verwies Iris Filzwieser, Präsidentin der Austrian Cooperative Research (ACR), auf die zunehmend schwierigeren Rahmenbedingungen für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU). "In Zukunft wird es umso wichtiger werden, jede Innovation - und hier vor allem die angewandten Entwicklungen aus den KMU heraus - zu einer schnellen Marktreife zu führen." Sie wünscht sich mehr themenoffene Förderungen, Unterstützungsmaßnahmen für KMU im Zuge der "Triple Transition" (mit den Komponenten "digital", "grün" und "sozial/gerecht") sowie einen vereinfachten Zugang zu Finanzierung, der Innovationsprozesse beschleunigen könnte.

Nicht zuletzt bleibt noch der Appell an alle Akteure, neben finanzieller Mittel und Infrastruktur auch ein offenes und inklusives Umfeld zu schaffen: "Wissenschaft, Politik und Wirtschaft müssen hier eng zusammenarbeiten, um die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen und die Integration von klugen Köpfen, die nicht in Österreich geboren wurden, zu erleichtern", formulierte es ISTA-Chef Hetzer.

Service: Die rund 15 Gastbeiträge zu "Wünsche im Wahljahr" von verschiedenen Vertreterinnen und Vertretern der Wissenschaft und Forschung in Österreich sind auf APA-Science verfügbar: https://science.apa.at/feature/nachgefragt

APA/red Foto: APA/APA/THEMENBILD/HANS KLAUS TECHT