Deutsch, Englisch, Russisch, Indisch, Latein und rund 400 andere lebende oder tote Sprachen zählen zur indogermanischen Sprachfamilie. Sie entsprossen allesamt dem Dialekt einer Menschengruppe, die vor 6.500 bis 5.500 Jahren in der Steppe zwischen Kaukasus und Wolga lebte, berichtet ein Forscherteam um den Genetiker David Reich (Harvard University) und den Wiener Anthropologen Ron Pinhasi im Fachblatt "Nature". Damals vollzog sich ein Wandel von der Jungstein- zur Bronzezeit.
Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter analysierten in der Studie Erbgut-Daten von 435 Individuen aus archäologischen Stätten, die vor 8.400 und 4.000 Jahren in Europa und Asien gelebt haben. Demnach ist die bisher nicht adäquat beschriebene Menschengruppe, die von den Wissenschaftern als "Caucasus-Lower Volga"-Population (CLV), also etwa "Kaukasus-Wolga-Unterlauf"-Gruppe, bezeichnet wird, mit alle andern Völkern verwandt, die sich seither einer indogermanischen Sprache bedienten, so die Forscher.
Das gilt auch für Menschen, die Hethitisch sprachen. Bisher konnte man die Ursprünge dieser ausgestorbenen indogermanische Sprache nicht richtig zuordnen. "Sie war vermutlich der älteste Sprachzweig, der sich abgespalten hat, und archaische Sprachmuster bewahrte, die in allen anderen indogermanischen Sprachen verloren gingen", erklärte Pinhasi, der am Institut für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien arbeitet, in einer Aussendung.
Die "Kaukasus-Wolga-Unterlauf"-Gruppe könne daher "mit allen indogermanisch sprechenden Populationen in Verbindung gebracht werden und ist der wahrscheinlichste Kandidat für jene Bevölkerung, die Indo-Anatolisch sprach", so Pinhasi: "Diese Sprache war Vorfahr des Hethitischen und aller späterer indogermanischer Sprachen." Vor 5.000 Jahren habe das Volk der Jamnaja schließlich Indogermanisch von der Eurasischen Steppe, die von Osteuropa nach Asien hineinreicht, nach Mitteleuropa gebracht.
In einer weiteren in "Nature" veröffentlichten Studie berichtet ein internationales Team ebenfalls anhand von Daten "alter DNA", dass die Jamnaja offensichtlich in zwei Einwanderungswellen kamen und sich anschließend mit den hiesigen Menschengruppen mischten. Ihren Ursprung hatten sie laut den Forschern vor rund 5.500 Jahren in der heutigen Ukraine bei der Stadt Mychajliwka. Aus dieser Zeit stamme zumindest der erste, genetisch identifizierte "Stamm-Jamnaja".
Service: https://doi.org/10.1038/s41586-024-08531-5; https://doi.org/10.1038/s41586-024-08372-2
APA/red Foto: APA/Natalia Shishlina/Natalia Shishlina (Mitautorin von "The Genetic Origin of the Indo-Europeans").