Der Genetiker Josef Penninger ist eines der in der breiteren Öffentlichkeit wahrscheinlich bekanntesten Gesichter aus der heimischen Wissenschaftsgemeinde. Am Donnerstag (5.9.) feiert der Gründungsdirektor des Instituts für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien und Leiter des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung seinen 60. Geburtstag. In die Bundeshauptstadt kehrte er 2023 als Teilzeit-Professor an der Medizin Uni Wien zurück.
Der am 5. September 1964 im oberösterreichischen Gurten geborene Wissenschafter kommt mittlerweile auf knapp 800 wissenschaftliche Publikationen, an denen er in seiner langjährigen, internationalen Forscherkarriere beteiligt war. Darunter finden sich einflussreiche Beiträge, etwa zum ACE2-Rezeptor, den u.a. der SARS-CoV-2-Erreger zum Eintritt in menschliche Zellen nutzt, und an dem Penninger seit Anfang der 2000er Jahre forscht, sowie zur Entschlüsselung der wichtigen Rolle des körpereigenen Proteins RANKL bei vielen Körperfunktionen bzw. Krankheiten wie Osteoporose oder Brustkrebs oder bei der viel beachteten Entwicklung von 3D-Modellen menschlicher Blutgefäße ("Organoiden") vor wenigen Jahren.
Von Innsbruck nach Kanada
Penninger absolvierte sein Medizinstudium an der Universität Innsbruck und belegte nebenbei auch Kunstgeschichte und Spanisch. Zuvor besuchte er das humanistische Gymnasium in Ried im Innkreis. 1990 schloss er seine Doktorarbeit beim Innsbrucker Pathologen und Altersforscher Georg Wick ab. Mit einem "Erwin Schrödinger-Stipendium" wechselte Penninger anschließend als Post-Doc an das Ontario Cancer Institute, wo er insgesamt vier Jahre arbeitete.
In Kanada hat der Mediziner dann seine Karriere richtig ins Rollen gebracht. Zwei Mal wurde er dort in die "Top 10" in der Liste der "Modernsten Wissenschafter des Jahres" gewählt, Medien kürten ihn zum "Young leader in medicine in Canada" und reihten ihn unter die "Zehn interessantesten Menschen des Jahres 2000" oder unter die "Top 40 under 40". Ab 1994 war Penninger "Principal Investigator" beim US-Gentechnikkonzern Amgen und gleichzeitig Assistant Professor am Institut für Immunologie und Medizinische Biophysik der Universität Toronto, wo er - nach seiner Habilitation 1997 an der Uni Innsbruck - ab 1998 als Associate- und später als Full Professor tätig war.
Rückkehr nach Österreich 2002 ans IMBA
2002 kehrte er nach Österreich zurück und übernahm das 2003 gegründete IMBA in Wien, das unter seiner Führung zum international angesehenen Forschungsinstitut weiterentwickelt wurde. Die Rückkehr erfolgte auf eine Initiative des damaligen ÖAW-Präsidenten Werner Welzig: "Penninger ist ein Star, jung und ein Österreicher, der zurückkommen will - drei Tatsachen mit großer Symbolkraft", erklärte er damals.
In Wien entstanden viele seiner wichtigsten wissenschaftlichen Publikationen, deren Ergebnisse er u.a. auch als Mitbegründer der Wiener Biotechnologiefirma Apeiron in die Entwicklung von Medikamenten einfließen ließ. So verfolgte man während der Covid-Pandemie etwa das Ziel, ACE2 (Angiotensin Converting Enzyme 2) als Medikament gegen schwere Covid-19-Erkrankungen einzusetzen. Sich selbst bezeichnete Penninger einmal als "genetischen Ingenieur", der "herausbekommen will, wie Gene funktionieren, sowohl in der Erkrankung, als auch in der normalen Entwicklung".
Die Erfolge des Forschers, die immer wieder viel mediales Interesse auf sich zogen, weckten folglich auch Begehrlichkeiten aus dem Ausland. So war Penninger im Jahr 2015 etwa der Direktorsposten am Berliner Max-Delbrück-Centrum (MDC) für Molekulare Medizin angeboten worden. In Interviews hatte er damals nach Aufbruchsjahren eine Stagnation der Forschung in Österreich ausgemacht. Durch Abwehrverhandlungen seitens der ÖAW und Budget-Nachbesserungen seitens der Politik konnte er nach dem Abbruch der Verhandlungen mit dem MDC zum Bleiben bewogen werden.
Einer der am meisten zitierten Wissenschafter
Ende 2018 war es dann allerdings so weit und Penninger folgte dem Ruf an das rund 1.000 Mitarbeiter zählende Life Sciences Institute (LSI) der University of British Columbia in Vancouver (Kanada), führte aber auch noch weiter eine Gruppe am IMBA. Im Jahr 2022 schien Penninger zuletzt auf der Liste der "Highly Cited Researchers" des Datenkonzerns Clarivate auf - zählte also zum obersten Prozent der am meisten zitierten Wissenschafter weltweit.
Im vergangenen Jahr wurde er dann wissenschaftlicher Geschäftsführer des deutschen Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) mit Hauptsitz in Braunschweig. Gleichzeitig übernahm der Genetiker eine "25-Prozent-Professur" für Personalisierte Medizin an der Medizinischen Universität Wien. In dieser Funktion hilft er nun mit, ein neues Institut für Präzisionsmedizin zu gestalten. Es ist nach dem 1939 in Wien geborenen US-Medizin-Nobelpreisträger des Jahres 2000, Eric Kandel, benannt.
"Ich habe Eric persönlich versprochen, dass ich mich darum kümmern werde - that's personal", sagte Penninger 2023 gegenüber der APA. "Ich arbeite jetzt schon 70 bis 80 Stunden in der Woche inklusive Wochenende - das ist sehr leicht vereinbar", so der Wissenschafter, der auch als Fußball-Interessierter bekannt ist, damals auf die Frage, wie er die HZI-Leitung und die Professur in Wien unter einen Hut bringen wolle.
Erfolge in der Brustkrebsforschung
Penninger hat bereits mehrmals hochdotierte Förderpreise des Europäischen Forschungsrats (ERC) erhalten. 2012 bekam er als erster Österreicher einen mit 7,4 Mio. US-Dollar dotierten "Innovator Award" des US-Verteidigungsministeriums für seine Erfolge in der Brustkrebsforschung. Weiters erhielt er u.a. den Descartes Preis der EU (2006), den Ernst Jung Preis für Medizin (2007), die Carus Medaille der Deutschen Akademie Leopoldina (2007) und wurde 2003 vom Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten zum "Wissenschafter des Jahres" gewählt. Seit 2007 ist Penninger ordentliches ÖAW-Mitglied, seit 2012 Ehrenmitglied der American Association for the Advancement of Science (AAAS). 2014 wurde Penninger mit dem oft als "Austro-Nobelpreis" bezeichneten Wittgenstein-Preis ausgezeichnet. Trotz aller Meriten hat sich zuletzt Penningers Prognose zur Fußball-Europameisterschaft als unzutreffend erwiesen: "Wir kommen ins Finale", hatte er im "Kurier" orakelt.
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