Ur-Science Buster Puntigam war vom Erfolg "vollkommen überzeugt"

26. September 2018 - 11:41

Seit 2007 verdingt sich die Kabarettgruppe Science Busters als Wissenschaftsvermittler. Am 26. September startet man in Linz in seit einiger Zeit veränderter Zusammensetzung mit neuen Programmen in eine ausgedehnte Tournee. Im TV steht Mitte Jänner die Ausstrahlung der 75. Show an. "Unbescheiden" gibt sich Ur-Science Buster Martin Puntigam im APA-Gespräch angesichts dieses anhaltenden Erfolgs.

Puntigam: "Wir leben sehr gerne in einer säkulären Welt"
Puntigam: "Wir leben sehr gerne in einer säkulären Welt"

Aus der ursprünglich aus den beiden Physikern Heinz Oberhummer und Werner Gruber sowie dem Kabarettisten Puntigam gebildeten "Boygroup" ist nach Oberhummers Tod im Jahr 2016 und Grubers Ausstieg eine naturwissenschaftliche "Kelly Family" geworden, wie man sich mittlerweile selbst bezeichnet. Neben dem einzigen Gründungsmitglied sind nun der Astronom Florian Freistetter, der Mikrobiologe Helmut Jungwirt, Günther "Gunkl" Paal, die Verhaltensbiologin Elisabeth Oberzaucher, der Molekularbiologe Martin Moder und der Chemiker Peter Weinberger an Bord. Neun neue Folgen mit wechselnder Besetzung sind ab Mitte Dezember im ORF zu sehen. Warum er die "urtollen" Science Busters als Jugendlicher vielleicht übersehen hätte und warum der "Geist" des entschiedenen Esoterik-Kritikers Oberhummer der Truppe immer noch hilft, erklärt Puntigam vor dem Tour-Start.

APA: Hätten Sie sich 2007 gedacht, dass Sie - als mittlerweile einzig verbliebener Fixstern - mit den Science Busters auch im Jahr 2018 auf große Tour gehen werden?

Martin Puntigam: Es klingt so unbescheiden, aber eigentlich schon! Ich war vollkommen überzeugt davon, dass wenn wir uns nicht blöd anstellen und uns niemand überholt, das eigentlich erfolgreich werden muss. Anders als bei meinen Soloprogrammen, wo ich oft Dinge gemacht habe, die unüblich waren und erst später Mainstream geworden sind, war bei den Science Busters völlig klar, dass es so etwas in vielen anderen Ländern schon gibt. Es hat das alles also populärkulturell schon gut aufbereitet gegeben. Wir haben da einen hundertspurigen Highway vorgefunden, auf dem wir nur fahren haben müssen.

Wir mussten das nur geringfügig variieren: Ich wusste aufgrund meiner Theatererfahrung, dass das mit Kostümen gut geht. Wir haben die Hochamtsdramaturgie invertiert - also der Ministrant (Puntigam gibt den "Master of Ceremonies", kurz MC, Anm.) ist eigentlich der Chef. Viele hatten bei der Wissenschaftsvermittlung das Problem, dass man dem Wissenschafter die Witze übel nimmt und dem Komiker die Wissenschaft nicht geglaubt wird. Darum haben wir es größer aufgestellt - als Ensemble. Ich war überzeugt davon, dass das funktionieren muss und wir das eigentlich bis zum Grab - was ja dann leider tatsächlich passiert ist - machen kann.

APA: Hätten Sie sich so etwas wie die Science Busters in ihrer Schulzeit gewünscht?

Puntigam: Da muss ich jetzt natürlich kokett sagen: Klar, das wäre urtoll gewesen. In Wirklichkeit hat mich Wissenschaft als Jugendlicher nicht sehr interessiert. Ich bin erst ganz spät als Erwachsener schön langsam zu den Naturwissenschaften gelangt. Das heißt, die Science Busters wären vermutlich an mir vorbeigegangen. Außer natürlich, es hätte einen so hochattraktiven MC mit rosa Trikot und Brustnippeln im Fernsehen gegeben - etwa in den Kunststücken.

APA: Hat sich das Publikum über die Zeit hinweg verändert?

Puntigam: Schwer zu sagen, aber es hat den Anschein als wäre es ein bisserl akademischer oder studentischer geworden. Wir haben jetzt nicht mehr so einen folkloristischen Kapazunder auf der Bühne - den wir ja sehr bewusst dann noch sehr antiintellektuell inszeniert haben. Das war grundgelegt, und das haben wir Werner Gruber ja auch aufgedrückt, weil er auch am Boulevard die Leute abholen könnte. Boulevard kann eigentlich von uns jetzt niemand gut - am ehesten noch Martin Moder.

APA: Zu einem wiederkehrenden Thema schenken Sie neuerlich Bier ein. Mit welchen neuen Erkenntnissen wartet "Ozapftis!" in der 2018er-Version auf?

Puntigam: Ursprünglich haben wir uns schon 2010 dem Thema "Oktoberfest" von der physikalischen Seite aus genähert. Jetzt stehe ich mit Freistetter und Moder auf der Bühne. Das sind schon andere Fragestellungen, die uns da bestricken. Beginnend vom großen Thema, wenn man nach Hause kommt und es fängt sich alles im Kopf zu drehen an - was gibt es für Möglichkeiten? Die bekannte, volkstümliche Variante ist ja: ein Bein aus dem Bett stellen, um zu bremsen. Wir fragen uns warum das hilft. Wir beschäftigen uns aber auch mit der wesentlich interessanteren Variante, "Schweres Wasser" zu trinken. Es hilft zwar sehr gut gegen Drehschwindel, ist aber exzessiv angewendet giftig.

APA: Der Titel einer der neuen Shows ist "Ganzheitliches Halbwissen", die dann auch als 75. Folge Mitte Jänner im TV ausgestrahlt wird. Ist das mehr als Persiflage auf die aktuelle gesellschaftliche Situation gedacht oder eine Hommage an den ausgesprochenen Religions-, Esoterik- und Halbwissenskritiker Heinz Oberhummer?

Puntigam: Nachdem die Emeritierung und der Mitteilungsdrang vom Heinz ja quasi die Grundsteinlegung der Science Busters war, ist er ja sowieso immer mehr oder weniger dabei. Aber es ist schon nach wie vor ein programmatischer Titel. Es ist keine Persiflage. Es ist kein Aufnahmekriterium, aber es ergibt sich so, dass wir durchwegs Atheisten sind und dem Skeptizismus und naturwissenschaftlichen Weltbild streng verbunden sind.

Heinz hat sich sehr über Esoterik geärgert. Da hat es das, was heute unter dem Namen "Fake News" weltweit auch auf Regierungsebene Furore macht, noch gar nicht gegeben. Insofern ist die Situation vielleicht nicht grundlegend schlimmer geworden. Es gibt nicht mehr Leute, die eigenartige Dinge glauben, aber sie sind übers Internet besser vernetzt. Deshalb sind sie viel sichtbarer. Darauf hinzuweisen ist uns noch immer ein Anliegen, weil wir sehr gerne in einer säkulären Welt leben. Hier müssen wir eigentlich auch ein Stück gegen eigene Ermüdungserscheinungen kämpfen. Auch wenn man schon hundert Mal gesagt hat, dass Homöopathie eh ein Unsinn ist, muss man es ein halbes Jahr später noch einmal sagen.

APA: Ein Vehikel zur Verbreitung dieser Ansicht ist auch der Oberhummer Award geworden, den heuer der US-Spezialeffekt-Experte Adam Savage erhält. Was hat die Auszeichnung, die am 23. November zum dritten Mal im Wiener Stadtsaal vergeben wird, bewirkt?

Puntigam: Den Preis gibt es natürlich aus einem traurigen Anlass, aber er hat dazu geführt, dass sich die Science Busters auch über den deutschsprachigen Raum hinaus mit Leuten vernetzen, mit denen wir uns auf Anhieb auch immer gut verstehen, weil sie ganz ähnlich gebaut sind wie wir. Wir wollten den Preis immer international vergeben. Leute wie James Randi (2016 der erste Preisträger, Anm.), der über viele Jahrzehnte ein Star war, oder Adam Savage, der mehr Follower auf Youtube hat als Wien Einwohner, kommen wegen 20.000 Euro nicht nach Wien.

APA: Und auch nicht wegen dem im Preis enthaltenen Glas Alpaka-Kot...

Puntigam: Adam Savage kommt auch, weil er von James Randi gehört hat: "Da kann man hinfahren." Es baut sich tatsächlich auch so auf, wie wir uns das gewünscht haben. Nämlich dass wir aus dem winzigen Österreich mit der Signalpistole hochschießen und man dann sehen kann, dass es uns gibt. Wie uns ist diesen Leuten ein Anliegen herzuzeigen, dass die Welt wegen der Wissenschaft so gut funktioniert wie sie funktioniert - und das übrigens erst seit 250, 300 Jahren. Das soll man nicht vergessen, nur weil es so bequem geworden ist. Man muss das Fundament immer wieder warten und nicht sagen: Es ist eh wurscht und jetzt bauen wir uns ein mehrstöckiges Schloss auf Sand.

APA: Adam Savage hat einmal gesagt, dass er unabsichtlich mit seiner TV-Sendung "MythBusters" Wissenschaft ein Stück weit "cool" gemacht hat. Müssen sich die Science Busters diesen Vorwurf trotz großem Plastiknippel-Einsatz und grellster Bühnenoutfits auch gefallen lassen?

Puntigam: Naja, das ist ja keine Frage! (lacht) Für Heinz Oberhummer war der Aspekt der Wissenschaftsvermittlung von Anfang an das Ziel. Mir war es damals eher ein bisserl wurscht, weil ich wollte, das die Theatershow funktioniert. Weltanschaulich ist mir das natürlich jetzt wichtig.

APA: Abseits der Science Busters geben sie als Solokünstler im nächsten Jahr anlässlich ihres 30-Jahr-Bühnenjubiläums und 50. Geburtstages gleich "80 Jahre Martin Puntigam". Erfinden sie sich da sozusagen neu oder gibt es ein Best-of-Programm?

Puntigam: Ich überliste mich bei solchen Anlässen. Schon beim 15-jährigen Bühnenjubiläum habe ich das als "Best of" angesetzt, weil das bedeutet, dass es auf jeden Fall ein Programm mit lauter altem Zeug gibt - auch wenn mir gar nichts einfällt. Normalerweise verwende ich dann aber die Witze, die mir noch gut gefallen dazu, etwas Neues darum herum zu bauen. Es wird vermutlich ein neues Programm mit Remixes von alten Witzen sein. Ich kann jetzt nicht mehr so wie als 25-Jähriger auf die Bühne gehen. Ich habe aber mehrere Figuren, mit denen ich arbeiten kann.

APA: Wie geht es ihnen, wenn sie sich so eine Figur nach 20, 25 Jahren wieder zur Brust nehmen?

Puntigam: Manchmal bin ich erstaunt, wenn ich ein Programm wie "Spam" vom Anfang des Jahrtausends anschaue. Wie sein Vorgänger "Wildwochen" ist das Programm sehr, sehr aggressiv. Es ist erstaunlich wie konsequent ich da äußerst unzufriedene und aggressive Menschen gespielt und bei ihrer Selbstzerstörung gezeigt habe. In "Supererde" (2014, Anm.) gibt es schon eine wehmütigere Komponente, da hat die Zeit schon etwas gemacht mit mir. Grundsätzlich finde ich es aber schon lustig, mich auf der Bühne aufzuführen.

(Das Gespräch führte Nikolaus Täuber/APA)

Service: Auftrittstermine finden sich unter: http://sciencebusters.at; Kommende Premieren: "Ozapftis! 2018", 26.9., Posthof Linz; "Ganzheitliches Halbwissen", 13.10., Forum Schwechat (Vorpremiere); "Gluten Tag", 12.11., Forum Schwechat (Vorpremiere); "Heinz Oberhummer Award 2018", 23.11., Stadtsaal Wien; "Jesus war ein Fliegenpilz!", 29.11., Argekultur Salzburg; "Küsse und Vögel", 10.12., Forum Schwechat (Vorpremiere); "Science Busters Roulette", 13.12., Stadtsaal Wien; "Silvester Edition 2018", 31.12., Schauspielhaus Wien.

(APA/red, Foto: APA/APA (Täuber))

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