Unbekannte Gletscher trugen wesentlich zum Meeresspiegel-Anstieg bei

21. November 2018 - 19:05

Kleine Gletscher, die nicht in den Inventaren der Glaziologen registriert sind, haben signifikant zum globalen Meeresspiegelanstieg im 20. Jahrhundert beigetragen. Das zeigt eine Studie von Wissenschaftern der Universitäten Bremen und Innsbruck, die im Fachjournal "Nature" veröffentlicht wurde. Sie dürften demnach für einen Anstieg des Meeresspiegels von rund fünf Zentimetern verantwortlich sein.

Auch der Taschachferner hat sich stark verkleinert
Auch der Taschachferner hat sich stark verkleinert

Im vergangenen Jahrhundert ist der Meeresspiegel global um 20 Zentimeter angestiegen. Die Ursachen für drei Viertel dieses Anstiegs sind klar: Durch die steigenden globalen Temperaturen kommt es zu einer Ausdehnung des sich erwärmenden Wassers sowie zum Abschmelzen der Gletscher und Eisschilde. Zudem wird von Landwirtschaft und Industrie immer mehr Grundwasser entnommen, das zum Großteil im Ozean landet.

Für das restliche Viertel, also rund fünf Zentimeter, des Anstiegs hatten die Wissenschafter bisher aber keine Erklärung. Ben Marzeion vom Institut für Geographie der Universität Bremen und David Parkes, der als Doktorand an der Universität Innsbruck tätig war, haben nun eine Erklärung für diese Lücke vorgeschlagen. "Es gibt starke Hinweise darauf, dass die globalen Gletscherinventare unvollständig sind", erklärte Marzeion in einer Aussendung der Uni Innsbruck und spricht von der "Dunklen Materie der Glaziologie".

Die Wissenschafter nennen konkret das von Innsbrucker Forschern mitinitiierte "Randolph Gletscher Inventar", das Daten zu so gut wie allen Gletschern auf der Erde in computerlesbarer Form enthält und eine wichtige Grundlage für die Forschung ist. Mehr als 200.000 Gletscher sind darin registriert, erklärte Marzeion gegenüber der APA.

"Starke statistische Hinweise"

Das Problem sei, dass es sehr schwierig ist, in Fernerkundungsdaten kleine Gletscher zu finden und als solche zu identifizieren. Marzeion: "Es gibt starke statistische Hinweise darauf, dass diese Gletscher existieren, man weiß aber nicht, wo sie sind." So gebe es etwa kleinere Gletscher, die völlig von Schnee oder von Geröll und Schutt bedeckt sind, und bei denen man daher keine Eisflächen sieht. Auch Gletscher in schattigen Nischen seien nur schwer wahrnehmbar, vor allem, wenn sie von größeren benachbarten Eismassen überstrahlt werden. Zudem verweist der Experte auf etliche Gletscher, die im Laufe des 20. Jahrhunderts verschwunden seien und daher nicht in den Inventaren aufscheinen.

Parkes, der in der Arbeitsgruppe Klimageographie in Innsbruck und Bremen promoviert hat und nun an der Katholischen Universität Leuven (Belgien) arbeitet, hat eine statistische Methode entwickelt, um die vergangene Entwicklung dieser unbekannten Gletscher abzuschätzen. Damit kann er die bisher rätselhaften fünf Zentimeter Meeresanstieg vollständig erklären.

"Das ist deswegen überraschend, weil diese unbekannten Gletscher heutzutage so klein sind, dass sie insgesamt in der Zukunft nicht mehr als 0,2 bis 0,3 Zentimeter zum Meeresspiegelanstieg beitragen werden", sagte Parkes. Das ist aktuell unbedeutend gegenüber den Beiträgen bekannter Gletscher, die - sollten sie vollständig Abschmelzen - den Meeresspiegel um 40 bis 50 Zentimeter ansteigen ließen. In den vergangenen 100 Jahren dürften aber die kleinen Gletscher, die man heutzutage kaum noch findet, sehr wichtig für den Anstieg des Meeresspiegels gewesen sein.

Service: http://dx.doi.org/10.1038/s41586-018-0687-9

(APA/red, Foto: APA/Ben Marzeion)

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