Träger Spin: Wiener Forscher beweisen Quanteneffekt

18. Februar 2020 - 10:41

Analog zum klassischen Kreisel haben auch quantenmechanische Objekte einen Drehimpuls: den Spin. Forscher der Technischen Universität (TU) Wien konnten nun experimentell nachweisen, dass dieser, obwohl er nicht von der Masse der Teilchen abhängt, trotzdem ein gewisse Trägheit aufweist. Ihre Ergebnisse haben die Forscher im "Nature"-Journal "Quantum Information" veröffentlicht.

Die Anlage am ILL in Grenoble
Die Anlage am ILL in Grenoble

Was sich bewegt, bleibt so lange in Bewegung, bis eine äußere Kraft darauf einwirkt. Diese, als "Trägheitssatz" bekannte, physikalische Gesetzmäßigkeit erkannte Isaak Newton bereits vor über 300 Jahren. Erleben lässt sie sich etwa bei einer Vollbremsung im Auto: Während das Fahrzeug langsamer wird, möchte der Körper seine Geschwindigkeit noch beibehalten und wird erst durch die Kraft des (hoffentlich vorhanden) Sicherheitsgurtes abgebremst.

Ähnliches gilt für Drehbewegungen, wo der Schwung einer rotierenden Masse erhalten bleibt. Die entsprechende Erhaltungsgröße, der Drehimpuls, findet sich in einer etwas anderen Form auch in quantenmechanischen Objekten wie Neutronen wieder. Obwohl diese zwar auch über Massen verfügen, ist ihr Eigendrehimpuls beziehungsweise Spin davon unabhängig.

"In unseren Experimenten konnten wir nun jedoch zeigen, dass auch der Spin von Neutronen eine gewisse Art von Trägheit aufweist", sagt Stephan Sponar vom Atominstitut der TU Wien, einer der Autoren der aktuellen Studie, gegenüber der APA. Um das bereits 1988 postulierte Verhalten der Teilchen nachzuweisen, spalteten die Forscher einen Neutronenstrahl in zwei Teilstrahlen auf und schickten einen davon durch ein rotierendes Magnetfeld, das den Spin der Teilchen beeinflusst.

Wiedervereinigung der Strahlen

Durch die anschließende Wiedervereinigung der beiden Strahlen gelang es schließlich, den Effekt des Magnetfeldes auf die Teilchen zu eruieren und die dabei auftretenden Trägheitsphänomene nachzuweisen. "Dabei handelt es sich um einen reinen Quanteneffekt, der klassisch nicht erklärbar ist", sagt der Erstautor der Studie, Armin Danner, der ebenfalls am Atominstitut in Wien arbeitet.

Danner hat bereits in seiner Diplomarbeit das Herzstück des Experiments entwickelt: die Spulen, die das rotierende Magnetfeld erzeugen. Da sich das Feld mehrere tausend Mal pro Sekunde drehen muss, schieden massive Magnete, die mechanisch in Rotation versetzt werden, aus. "Das hätte zu stark vibriert und die empfindliche Messung gestört", so Danner. Die Herausforderung bestand also darin, mehrere fix montierte Spulen miteinander zu kombinieren und so anzuordnen, dass ein Durchgang für den Neutronenstrahl offen bleibt. "Letztendlich haben wir vier bis fünf Jahre an dem Experiment gearbeitet, bis jetzt endlich der Nachweis gelungen ist", sagte der Leiter der TU-Gruppe für Neutroneninterferometrie, Yuji Hasegawa.

Für die Entwicklung des experimentellen Aufbaus nutzten die Forscher noch den Neutronenstrahl des Forschungsreaktors im Wiener Prater. Das eigentliche Experiment wurde dann aber am Institut Laue-Langevin in Grenoble (Frankreich) durchgeführt, das über einen wesentlich größeren Forschungsreaktor verfügt, und deshalb die für den Nachweis benötigte, hohe Strahlintensität erzeugen konnte.

Service: Publikation: https://doi.org/10.1038/s41534-020-0254-8; Forschergruppe: http://www.neutroninterferometry.com/

(APA/red, Foto: APA/2019 Laurent Thion/ILL)

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