Süße Schnüffler: Neuer Weg zur Bestimmung von Blutgruppenantigenen

20. September 2018 - 13:12

Das Bestimmen klinisch bedeutsamer wie seltener Blutgruppenmerkmale könnte bald schneller und standortunabhängig sein. Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) Graz testet süße Schnüffler: Sie bauen an Kohlehydrate bindende Proteine so um, dass sie mit hoher Affinität für bestimmte Blutgruppenantigene ausgestattet werden. Das Ergebnis wird im Journal ACS Chemical Biology präsentiert.

Zur Untersuchung seltener Antigene werden derzeit DNA-Analysen herangezogen
Zur Untersuchung seltener Antigene werden derzeit DNA-Analysen herangezogen

Blut ist nicht gleich Blut: Vor der Entdeckung des Blutgruppensystems A, B, AB und 0 endeten Bluttransfusionen am Menschen oft tödlich. Doch mittlerweile machen rund 35 weitere menschliche Blutgruppensysteme und deren Antigene klar, dass das Blut eines jeden Menschen ein besonderer Saft ist. Die unterschiedlichen Merkmale sind vor allem bei Bluttransfusionen von Bedeutung.

Spezifische Strukturen auf der Oberfläche eines roten Blutkörperchens (Erythrozyt) machen die jeweilige Blutgruppe aus, schilderte die Grazer Biotechnologin Birgit Wiltschi vom Grazer acib der APA. Die bekanntesten dieser Strukturen, die beim Blutspenden eine wichtige Rolle spielen, sind die Antigene A, B, AB und 0. Mehrere hundert weitere erythrozytäre Antigene wurden bisher entdeckt, von denen ein Teil auch klinische Relevanz hat.

Antigene erst nach Ersttransfusion entwickelt

Anders als beim A-B-0-System entwickelt der Organismus gegen diese Antigene jedoch nicht schon im Babyalter Antikörper, sondern erst nach Kontakt mit einer fremden Blutgruppe. Bei einer Ersttransfusion sind daher Unverträglichkeitsreaktionen selten. Gefährlich kann es allerdings werden, wenn Patienten wiederholt Transfusionen benötigen und deshalb schon gegen andere Blutgruppen sensibilisiert sind. Gezieltes Geben und Nehmen und eine möglichst umfassende Blutgruppendiagnostik ist daher entscheidend, weil es sonst zu gefährlichen Abwehrreaktionen kommen kann.

Serologische Tests sind einfach und billig in der täglichen Routine. Hier kann man sogar mit freiem Auge Verklumpungen von roten Blutkörperchen mit verschiedenen Antikörpern sehen und die Verträglichkeit abklären. Anders verhält es sich bei der Bestimmung von u.a. Verwandtschaftsverhältnissen und Varianten von Blutgruppeneigenschaften. Hier greifen serologische Test zu kurz, weil so spezielle Antikörper nicht verfügbar sind. Zur Untersuchung seltener Antigene werden daher DNA-Analysen herangezogen. Eine umfassende Genotypisierung im Labor ist jedoch ortsgebunden, zeit- und kostenintensiv. Die Biosensor-Technologie, die das acib gemeinsam mit internationalen Kollegen in einem EU-Projekt entwickeln, könnte die Problematiken lösen.

"Um einen Biosensor herzustellen, benötigen wir als Basis einen Rezeptor, der in der Lage ist, die unterschiedlichen Oberflächenstrukturen der Blutgruppenantigene zu erkennen", beschrieb Wiltschi die Ausgangssituation. Die Forscher setzen ihre Hoffnung auf Lektine, eine bestimmte Gruppe von mit Zuckern versehenen Proteinen, die in der Natur weit verbreitet ist. Diese Glykoproteine können wiederum an die Zuckermolekülstruktur von Antigenen binden und nehmen - ähnlich einer Funkstelle - Informationen auf und leiten sie weiter.

"Tunen" auf bestimme Zuckermuster

Bisher sind die "süßen Schnüffler" allerdings sehr kontaktfreudig mit Zuckermolekülen, das heißt wenig spezifisch. "Wir versuchen, sie auf ganz bestimmte Zuckermuster "fein zu tunen", sagte die Leiterin der acib-Gruppe für Synthetische Biologie. Bei einem Lektin, dass u.a. auch die Oligosaccharide des Antigen A erkannte, hatten sie bereits Erfolg: Die Forscher tauschten einzelne Aminosäuren mithilfe biotechnologischer Methoden aus. Dabei wurden fluorierte Moleküle eingefügt. So entstanden Proteine, die die Fluoratome an den gewünschten Positionen enthielten. "Dabei zeigte sich, dass die Fluoratome die Rezeptorstruktur beeinflussten, wodurch die Affinität des Rezeptors für die Zuckerpolymere der Blutgruppe A erhöht war", schilderte Wiltschi die biotechnologisch herbeigerufene Veränderung der Protein-Kohlehydrat-Wechselwirkung.

Die Arbeit, die jetzt vor den Forschern liegt, ist groß: Für jedes weitere Blutgruppenantigen müssten wieder passende Lektine gefunden und modifiziert werden. Derartig programmierte Biosensoren könnten laut Wiltschi umfassende Antigenspektrenuntersuchungen bei Erythrozyrten in wenigen Stunden ermöglichen. Generell gebe es aber "hohes Anwendungspotenzial in der medizinischen Dignostik aber auch der Umweltanalyse", wie Wiltschi gegenüber der APA in die Zukunft blickte.

Service: Tobola f., Lalimousin M. Varrot A, B. Wiltschi et al.: "Effect of Noncanonical Amino Acids on Protein-Carbohydrate Interactions: Structure, Dynamics, and Carbohydrate Affinity of a Lectin Engineered with Fluorinated Tryptophan Analogs", DOI: 10.1021/acschembio.8b00377 , ACS Chemical Biology, 2018

(APA/red, Foto: APA)

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