18.11.2024, 10:15 Uhr

Studie: Geflüchtete Menschen ziehen besonders oft um

Bild

Geflüchtete Personen ziehen innerhalb eines Jahres im Schnitt 3,8-mal häufiger um als hierzulande lebende Nicht-Österreicherinnen und Österreicher, die nicht geflüchtet sind. Sie wechselten ihren Wohnort auch wesentlich öfter als freiwillig gekommene Menschen aus demselben Herkunftsland. Das konnten Forschende vom Wiener Complexity Science Hub (CSH) in einer kürzlich im Fachjournal "Genus" veröffentlichten Studie zeigen.

Längeres Verbleiben an einem Ort ist aus einer Reihe von Gründen wichtig: So könne man erst dadurch eine Bindung zum Wohnort entwickeln und sich in der Nachbarschaft, sowie im Hinblick etwa auf Ärztinnen und Ärzte und Schulen in der Umgebung zurechtfinden, erklärte Erstautorin und CSH-Doktorandin Ola Ali im APA-Gespräch. Im Gegensatz dazu sei jeder Umzug mit finanziellem und sozialem Aufwand verbunden - für ohnehin benachteiligte Personen stelle ein Wohnortswechsel deswegen eine zusätzliche Belastung dar.

Erhebliche Unterschiede je nach Herkunftsland

"Wenn wir herausfinden möchten, wie gut es Menschen in Österreich geht, sollte demnach auch miteinbezogen werden, wie stabil ihre Wohnsituation ist", so Ali. Dafür haben die Forschenden alle gemeldeten Umzüge von den 1,6 Millionen Menschen nicht-österreichischer Nationalität, deren Hauptwohnsitz zwischen November 2022 und November 2023 zumindest zeitweilig in Österreich war, quantifiziert. Bei 17 Prozent davon handelte es sich um geflüchtete Personen und bei 83 Prozent um Nicht-Geflüchtete ohne österreichische Nationalität, also Migrantinnen und Migranten.

Zwischen Personen unterschiedlicher Herkunftsländer gab es erhebliche Unterschiede: So wechselten syrische Geflüchtete den Wohnort durchschnittlich am häufigsten und 2,2-mal öfter als geflüchtete Menschen aus der Ukraine, 1,7-mal häufiger als geflüchtete Personen aus Afghanistan und fast 5,5-mal häufiger als Migranten aus Deutschland. Migrantinnen und Migranten aus Syrien ziehen nur halb so oft um wie Flüchtlinge aus demselben Land, aber immer noch genauso oft wie ukrainische Flüchtlinge. "Für mich verdeutlichen diese Ergebnisse die Heterogenität der geflüchteten Bevölkerung", sagte Ali. Dabei müsse bedacht werden, dass es auch innerhalb jeder Gruppe erhebliche Unterschiede gibt.

Mit den Herkunftsländern sei oft ein jeweils unterschiedlicher rechtlicher Status assoziiert, der sich wiederum auf die Instabilität des Wohnortes auswirken kann. "Eine geflüchtete Person aus der Ukraine bekommt in Österreich beispielsweise mit hoher Wahrscheinlichkeit den Status einer vertriebenen Person, aus Syrien Geflohene hingegen wahrscheinlich Asyl oder subsidiären Schutz", erklärte Ali. Mit dem Status gehen bestimmte Leistungen und Pflichten einher: Vertriebene Personen müssten im Gegensatz zu anderen bei der Ankunft etwa nicht zuerst in einer Grundversorgungseinrichtung wohnen.

Alter, Bildung, Glück als Faktoren

Daneben könne aber auch das Alter, in dem die Person fliehen musste, vorangegangene Bildung und Arbeitserfahrung sowie individuelle Faktoren und schlichtweg Glück bei der Wohnungssuche eine Rolle spielen, so die Forscherin.

Männliche Geflüchtete wechselten laut der Studie ihren Wohnort fast doppelt so oft wie weibliche. Das lasse sich damit erklären, dass Frauen, mit Ausnahme der ukrainischen Gruppe, meist im Rahmen der Familienzusammenführung nach Österreich kommen würden. Bis zu diesem Zeitpunkt liegen hinter den zuerst angekommenen Männern oft schon mehrere Umzüge - "Beispielsweise zwei- bis dreimal im Rahmen des Asylverfahrens, danach häufig nach Wien, wo die erste Wohnadresse oft nicht lange behalten wird", so Ali. Die Bewegung in Richtung Wien zeige sich auch in den Ergebnissen: Bei 16,2 Prozent der Umzüge geflüchteter Personen ging es in die Bundeshauptstadt, im Vergleich zu 4,7 Prozent aus Wien weg.

"Das Leid von Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten, hört nicht automatisch auf, sobald sie hier ankommen", betonte Ali. Im Gegensatz dazu hätten sie dann ein neues Kapitel ihres Lebens, inklusive eines schwierigen, langen und sehr individuellen Integrationsprozess vor sich. Mit der Untersuchung sollte ein bis jetzt wenig beachteter Aspekt dieses Prozesses genauer beleuchtet werden.

Service - Link zur Studie: https://go.apa.at/awpGFeuW

APA/red Foto: APA/HELMUT FOHRINGER