"Störenfried" lässt exotische Form von Wassereis verschwinden

3. April 2018 - 10:21

Mit seinem wandelbaren Verhalten gibt Wasser viele Rätsel auf. Forscher um den Österreicher Christoph Salzmann vom University College London haben nun "Eis II" - eine von vielen Erscheinungsformen von Wassereis - zum Verschwinden gebracht, wie sie im Fachblatt "Nature Physics" berichten. Als Rausschmeißer fungierte der "chemische Störenfried" Ammoniumfluorid, wie der Forscher der APA erklärte.

Die Wissenschaft kennt unterschiedlichste Eis-Formen
Die Wissenschaft kennt unterschiedlichste Eis-Formen

Mittlerweile kennt man Dutzende Eigenschaften, in denen sich Wasser von fast allen anderen Flüssigkeiten unterscheidet. Die bekannteste davon ist die Dichteanomalie: Wasser hat seine höchste Dichte bei Normaldruck bei vier Grad Celsius. Deshalb frieren Seen von der Oberfläche her zu, das leichtere Eis schwimmt auf dem Wasser. Warum es sich so verhält, ist noch nicht vollständig geklärt.

Neben dem "normalen" Eis-Typ I kennt die Wissenschaft zahlreiche weitere Erscheinungsformen (Phasen) erstarrten Wassers. Setzt man Eis-Typ I ungefähr dem 2.000-fachen Atmosphärendruck und Temperaturen unter minus 35 Grad aus, wird es zu "Eis II", erklärte Salzmann der APA. Dieses zeichnet sich durch besondere Ordnung im Kristallgitter aus. Obwohl die anderen Phasen natürlich auch feste Strukturen sind, gibt es bei "Eis I", "Eis III" und Co mehr Unordnung.

Ammoniumfluorid beigemengt

Das Team um den österreichischen Wissenschafter hat in Experimenten Ammoniumfluorid in kleinen Mengen in das Wasser gemischt. "Es war von Anfang an klar, dass das ein chemischer Störenfried im Eis sein wird. Es stellte sich aber heraus, dass alle anderen Phasen damit kein Problem hatten - außer eben 'Eis II'", sagte Salzmann. Letzteres verschwand sogar komplett vom Phasendiagramm.

In den Experimenten haben die Forscher einiges über "Eis II" dazu gelernt. Diese Erscheinungsform unterliegt nämlich einem sogenannten "topologischen Zwang": Tanzt ein Wassermolekül aus der besonders wohlgeordneten dreidimensionalen Reihe, "dann 'wissen' das gewissermaßen alle anderen Moleküle in dem Kristall". Normalerweise passen die Moleküle in diesem Zustand nämlich wie ein Puzzle aus immer gleichen Teilen quasi perfekt zueinander. Ammonium und Fluorid sind als Puzzleteile zwar komplett anders gestaltet, fügen sich aber trotzdem ein. Schon kleinste Mengen davon bringen aber das ganze Bild völlig durcheinander. Auch von der unmittelbaren Störung weit entfernte Wassermoleküle können das nicht ausgleichen. Es handelt sich laut Salzmann um eine "globale Störung".

Prinzip gilt auch für Arzneimittel

Neben der Tatsache, dass es für die Forscher sehr interessant ist, dass durch eine denkbar geringe Verunreinigung eine Phase einfach verschwinden kann, werfe die Erkenntnis noch weitere Schatten: Dass so kleine Änderungen große Auswirkungen für den Gesamtzustand eines Stoffen haben können, gelte nämlich offenbar nicht nur für Wasser. Es gebe auch Beispiele von Arzneimitteln, deren Wirkung nach kleinsten Änderungen im Produktionsprozess sozusagen einfach verfliegt.

Was die rätselhaften Eigenschaften von Wasser betrifft, sei es denkbar, dass der nun entdeckte "topologische Zwang" nicht nur in dieser ungewöhnlichen Eis-Phase eine Rolle spielt. "Das Echo der speziellen Eigenschaften von 'Eis II' könnte sich auch in flüssigem Wasser niederschlagen" und laut Salzmann dafür verantwortlich sein, warum Wasser auch bei normalem Druck eine derart "spezielle Flüssigkeit" ist.

Service: https://doi.org/10.1038/s41567-018-0094-z

(APA/red, Foto: APA/APA (dpa))

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