Schule und Islam: "Parallelwelten für manche Schüler Realität"

10. September 2018 - 15:00

In Wien-Favoriten gibt es laut Pflichtschulinspektorin Elisabeth Repolusk durchaus Schulen, die mit Auswirkungen des radikalen Islam auf den Unterricht "sehr viel zu tun haben und wo diese Parallelwelten für manche Schüler wirklich Realität sind". Einen "Kulturkampf im Klassenzimmer", wie ihn die NMS-Lehrerin Susanne Wiesinger beschreibt, kann sie allerdings nicht sehen.

Nicht immer verläuft der Schulalltag konfliktfrei
Nicht immer verläuft der Schulalltag konfliktfrei

Wiesinger, seit 30 Jahren Lehrerin in Wien und neun Jahre auch SPÖ-Lehrervertreterin, schildert in ihrem neuen Buch, wie muslimische Schüler mit streng konservativem bis fundamentalistischem Gedankengut Unterrichtsinhalte zu beeinflussen versuchen und dadurch das Bildungsniveau leidet oder wie eine selbsternannte "Kleidungspolizei" Mädchen muslimischen Glaubens unter Druck setzt.

Repolusk kann die konkreten Fälle nicht nachvollziehen, räumt gegenüber der APA allerdings grundsätzlich Probleme mit dem Verhalten mancher muslimischer Schüler ein. "Wir haben diese Probleme, keine Frage. Aber wir sind schon seit Jahren an diesen Themen dran." Es gebe Fortbildungen wie Deradikalisierungsseminare und in der Integration extrem engagierte Lehrerinnen und Lehrer. Vieles, was Wiesinger schreibe, sei wahr und sie wolle nichts unter den Teppich kehren. "Aber so dramatisch, wie sie es darstellt, würde ich das nicht unterschreiben."

Unterschiedliche Wahrnehmungen

An jedem Standort würden Herausforderungen außerdem unterschiedlich wahrgenommen. Viele schulische Themen, Projekte und Ähnliches würden den Schulalltag viel mehr bestimmen, als wenn solche Themen aufpoppen. Sie wolle die Wahrnehmungen Wiesingers, die sie als "sehr engagierte Lehrerin" beschreibt, keineswegs infrage stellen. "Ich stelle nur den generellen Anspruch infrage, dass das überall genau so und ausschließlich so passiert. Andere Standorte mit genau so einer Population wie jener von Frau Wiesinger gehen mit solchen Vorkommnissen genauso intensiv um und da höre ich gar nichts, weil das täglich auf der sozialen Ebene bearbeitet wird."

Von "Einzelevidenzen" seiner ehemaligen Fraktionskollegin spricht auch der oberste SPÖ-nahe Lehrervertreter Wiens, Thomas Bulant. Der Gewerkschafter, der selber an einer Schule in Favoriten unterrichtet, kenne von seinem Standort keine Probleme a la Kleidungpolizei. Er baue nun auf die von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) angekündigte Erhebung zu Integrationsproblemen an den Schulen, um zu einem Gesamtbild zu kommen. Als Lehrervertreter höre er vor allem Klagen von Lehrerinnen, die wegen ihres Geschlechts nicht als Autorität anerkannt bzw. denen das Begrüßungsritual verweigert werde. Völlig unabhängig vom religiösen und kulturellen Hintergrund der Schüler habe außerdem die physische Gewalt gegen Pädagogen zugenommen. Gleichzeitig sei der Druck von Eltern, Lehrerkollegen oder Schulleitung gestiegen, bessere Noten zu vergeben. Sollten die von Wiesinger geschilderten Vorkommnisse tatsächlich ein breites Thema sein, brauche es jedenfalls professionelle Unterstützungssysteme für die Lehrer.

Gespräch zwischen Autorin und Czernohorszky

Unterdessen wurde bekannt gegeben, dass sich der Wiener Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) und Wiesinger demnächst zu einem Gespräch treffen. Ein solches sei bereits vereinbart worden, berichtete der Ressortchef der APA. Die Pädagogin habe ein wichtiges Thema angesprochen, das man sehr ernst nehmen müsse, betonte er.

"Weil für mich klar ist, dass jeder Fall in einer Schule, wo Mitschüler oder auch Lehrer unter Druck geraten, ein Fall zu viel ist. Wir müssen uns gemeinsam die Frage stellen, was man tun kann, um solche Fälle zu verhindern", sagte Czernohorszky. "Mir ist ihre Sicht der Dinge wichtig", beteuerte er.

"Ich möchte auch herausfinden, welches Feedback es gibt und welchen Veränderungsbedarf zu den vielen Dingen, die wir bereits machen", sagte Czernohorszky. Die Stadt Wien habe sich in den vergangenen Monaten und Jahren bereits massiv mit dem Thema auseinandergesetzt: "Wir haben das Netzwerk Deradikalisierung und Prävention gegründet. In der Zwischenzeit wurde das Programm auch von der Bundesebene übernommen."

Bereits 2.000 Workshops durchgeführt

Im Grunde genommen gehe es dabei um die Vernetzung aller Stellen, von der Polizei, über die Kinder- und Jugendhilfe bis hin zu den Pädagogen. Man müsse gemeinsam gegen Demokratiefeindlichkeit arbeiten und vor allem junge Menschen aus diesem Milieu rausholen. Im Rahmen des Netzwerks seien bereits 2.000 Workshops mit Lehrkräften durchgeführt worden: "Aber die Arbeit ist da nie getan."

Es gebe ein Ziel, das die Politik gewährleisten müsse - dem Wunsch von 95 Prozent der Menschen zu entsprechen, in Frieden zu leben. Jeder Person, die dies in Frage stelle oder bekämpfe, müsse man klar machen, dass das nicht gehe - unabhängig davon, ob sie aus einem rechtsradikalen oder aus einem islamistischen Eck komme.

"Aber man kann das Problem nicht lösen, indem man sich die Jugendlichen wegwünscht, man muss mit ihnen arbeiten. Und da brauchen Pädagogen Unterstützung", bekräftigte der Ressortchef. Er beklagte sich in diesem Zusammenhang einmal mehr über die Kürzung von finanziellen Mitteln für die Integration an den Schulen durch den Bund. Diese Maßnahme habe man nicht aus Jux und Tollerei kritisiert.

(APA/red, Foto: APA/APA (Hochmuth))

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