Quantenphysiker verfolgen verteiltes Einzel-Teilchen auf zwei Wegen

11. Mai 2022 - 9:59

In der Quantenphysik ist es möglich, dass sich ein Teilchen gleichzeitig auf mehreren Pfaden bewegt, wenn es sich in der sogenannten Superposition befindet. Das seltsam anmutende Phänomen bringt seit jeher auch alternative bis abstruse Erklärungstheorien zum Blühen. Wiener Physikern ist es nun gelungen, endgültig die Tür für diese Ansätze zu schließen. Sie können erstmals zeigen, in welchem Verhältnis ein einzelnes Neutron tatsächlich beide Wege gleichzeitig nimmt.

Labor am ILL in Grenoble
Labor am ILL in Grenoble

In der Quantenwelt verhält sich Materie sowohl als Teilchen als auch als Welle. Diese Welle-Teilchen-Dualität kann man an Lichtteilchen (Photonen) gut beobachten. Diese offenbaren ihre Welleneigenschaft im bekannten Doppelspaltexperiment: Schickt man die Teilchen auf eine Wand mit zwei schmalen, parallelen Spalten, so entstehen auf einem Schirm dahinter helle und dunkle Bereiche - ein Interferenzmuster. In statistischen Untersuchungen kann dann nachgewiesen werden, dass von den Photonen mehrere Wege gleichzeitig gegangen wurden. Allerdings müssen dafür viele Teilchen den Aufbau durchlaufen.

Statistik nachbauen ohne Erklärung

"Aus der statistischen Aussage kann man aber auch andere Theorien ableiten, die teilweise sehr abstrus sind", so der Letztautor der aktuellen Arbeit im Fachjournal "Physical Review Research", Stephan Sponar, vom Atominstitut der Technischen Universität (TU) Wien im Gespräch mit der APA. Solche Ansätze gehen etwa davon aus, dass zum Beispiel zuerst fünf Teilchen den rechten Spalt passieren und dann sieben den linken Spalt. Diese Modelle würden einfach versuchen, "die Statistik nachzubauen", ohne eine Erklärung für den gut abgesicherten Mechanismus hinter dem Muster zu liefern.

Diese "Hintertür", wie das Quantenphänomen auch anders gedeutet werden kann, wollten die TU Wien-Forscher in Kooperation mit der Hiroshima University (Japan) schließen. Das geht aber nur, wenn sich ein Versuchsaufbau findet, bei dem wasserdicht gezeigt werden kann, "dass bei jedem Teilchen exakt das gleiche passiert".

Zu einer "sicheren Aussage, wie es sich über zwei Pfade verteilt hat", kommen die Wissenschafter, indem sie ein Neutron auf einen Kristall treffen lassen, der als Teiler der Quantenwelle des Teilchens fungiert. Die beiden Teilwellen bewegen sich dann, ähnlich dem Doppelspaltexperiment, zwei Wege entlang. Dann werden sie wieder zusammengeführt und gemessen.

Magnetischer Einfluss auf den Spin

Die Physiker machen sich nun aber noch ein zweites Quantensystem zunutze, nämlich den Spin oder Drehimpuls des Teilchens. Dieser lässt sich durch ein außen angelegtes Magnetfeld beeinflussen. Das tun die Forscher aber nur an einem der beiden Wege. Damit markieren die Forscher das Teilchen bzw. dessen Weg sozusagen.

Wo die beiden Neutronen-Teilwellen wieder vereint werden platzierte man ebenfalls ein Magnetfeld, mit dem sich der Spin wieder zurückdrehen lässt. Die Wissenschafter interessieren sich dann dafür, wie weit sie den Spin dort wieder verändern müssen, damit der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt ist. Je nachdem, wie groß dieser Drehwinkel ist, lässt sich ableiten, zu welchem Anteil das Teilchen zuvor auf dem einen und dem anderen Weg gewandert ist. Hätte es nämlich nur den Weg genommen, wo der Spin nicht verändert wurde, wäre auch kein Zurückdrehen nötig gewesen.

Im Fall des Aufbaues im Experiment konnte so nachgewiesen werden, dass die Teilchen zu einem Drittel über den einen Pfad und zu zwei Dritteln über den anderen Weg wanderten. "Wir schauen uns also die Resultate der detektierten Teilchen an, und sagen dann exakt, wie jedes einzelne Teilchen verteilt war". Das würde letztlich einer ganzen Reihe an "alternativen Theorien zu Quantenmechanik" den Wind aus den Segeln nehmen, so Sponar.

Service: https://doi.org/10.1103/PhysRevResearch.4.023075

(APA/red, Foto: APA/Laurent Thion/ILL)

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