Präzisionsmedizin - "Rolle der Patienten wird sich ändern"

18. Juni 2018 - 9:41

Die Patienten sollen noch stärker in den Mittelpunkt der Forschung rücken und so auch klinische Studien beeinflussen. Das betonte Daniel De Schryver, Leiter des Bereichs Patient Engagement & Advocacy bei Janssen-Cilag, im Rahmen einer Veranstaltung des Pharmaunternehmens im Vorfeld des europäischen Onkologenkongresses in Stockholm. Große Vorteile gebe es für beide Seiten, hieß es.

Patienten müssen wissen, was mit Daten passiert und mitarbeiten können
Patienten müssen wissen, was mit Daten passiert und mitarbeiten können

Beim Konzept der Präzisionsmedizin ("personalisierte Medizin") wird individuell auf die Patienten eingegangen, um die Therapie so zielgerichtet wie möglich zu gestalten. Dafür kommen nicht nur Gen-Analysen zum Einsatz, auch die Wirkung der Umwelt und des Lebensstils der Menschen wird miteinbezogen. Dafür werden Daten benötigt - je mehr und je detaillierter, desto besser. Zu den sogenannten Real World Daten gehören etwa Angaben zum Verhalten und Sozialleben der Patienten, zu Phänotyp und Genotyp (genetische Zusammensetzung eines Organismus und deren Erscheinungsbild).

Patienten profitieren durch eine effizientere Behandlung, ist De Schryver überzeugt. Der Umgang mit den Menschen sei wertschätzender und persönlicher. Eine Unter- oder Übertherapierung könne vermieden werden. Zudem werde das Gesundheitssystem entlastet, da Budget und Ressourcen effizienter eingesetzt werden können. Die Kooperation mit Patienten sei "besser für alle", so De Schryver. Bisher wurde etwa bei klinischen Studien von Janssen-Cilag - neben der Erhebung von Zahlen - in Interviews die persönliche Meinung der Betroffenen zu Therapien eingeholt. Basierend auf diesem Feedback soll das Versuchsdesign der Studien verbessert werden. Den Bedürfnissen von Patienten wolle man ebenfalls besser nachkommen, sagte De Schryver.

Qualifizierte Patienten arbeiten mit Forschern zusammen

"Es wird interessanter, wenn sich die Menschen eingearbeitet haben", berichtete De Schryver. "Einfacher ist das beispielsweise bei chronischen Krankheiten, da es über einen längeren Zeitraum erfolgt." Qualifizierte Patienten würden dann mit Forschern und Industrie zusammenarbeiten. Um mehr Betroffene für die Teilnahme an klinischen Studien zu gewinnen und ihnen vor allem ihre Ängste zu nehmen, sei aber mehr und bessere Information essenziell. "Wir versuchen, aktiv Patientengruppen zu unterstützen. Eine sehr gute Begleitung wäre wichtig, eine wirkliche Betreuung und psychische Unterstützung."

"Ein Patient, der miteinbezogen wird, fühlt sich wahrscheinlich besser. Zur Linderung des mentalen Traumas der Betroffenen und Angehörigen wurde bisher aber wenig unternommen", sagte Fabian Bolin. Er ist Mitbegründer der Community WarOnCancer und war selbst an Leukämie erkrankt. WarOnCancer und die dazugehörige App sollen hier helfen und eine soziale Plattform zur Vernetzung von Krebspatienten, deren Angehörigen und Freunden bereitstellen. Mittels der App könnten künftig auch Patientendaten gesammelt werden, die Pharmaunternehmen nützen. Einfluss und Nutzen der Angaben können von den Usern mitverfolgt werden. Die Patienten sollen gezielt von Pharmafirmen für klinische Studien angefragt werden. Auf die User wiederum sollen Community bzw. App vor allem als psychische Unterstützung wirken und das bestehende Stigma durch die Krankheit verringert werden.

Die Verwendung der Daten müsse absolut transparent erfolgen, wie hervorgehoben wurde. "Die Patienten sind gerne bereit, ihre Daten weiterzugeben, wenn sie verstehen, welche Auswirkungen diese haben können", ist Bolin überzeugt. Derzeit arbeitet WarOnCancer bezüglich der App-Nutzung im Testbetrieb mit Janssen-Cilag zusammen. Nach dem Sommer soll dann evaluiert werden, wie praktikabel ein solches Modell ist. Ziel seien Daten in besserer Qualität, insbesondere weil sich die Datenlage in Europa sehr fragmentiert darstelle, hieß es von Janssen-Cilag.

Betreffend die Datensicherheit sei in manchen Ländern das Misstrauen noch groß, meinte De Schryver. Jedoch überwiegen für ihn die Vorteile. "Man muss daran arbeiten, dass es sicher wird, aber die Daten müssen genützt werden können. Ich glaube, damit kann viel erreicht werden." Die Patienten müssten wissen, was mit den Daten passiert und mitarbeiten können. Das setze Bildung voraus, in die investiert werden solle. "Wir sind bei dieser Sache erst am Anfang, da wird noch viel kommen. In den nächsten zehn Jahren wird man mit unseren Daten ganz anders umgehen."

(APA/red, Foto: APA)

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