ÖH-Wahl: Wunder, FLINTs und empfindliche Nasenlöcher

5. Mai 2021 - 8:05

Ohne sonst übliches Gelächter, Gejohle und Beifallklatschen ist am Dienstag Abend die "Elefantenrunde" der Spitzenkandidaten bei den Wahlen zur Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) von 18. bis 20. Mai über die Bühne gegangen. Coronabedingt wurde wie gewohnt unter Leitung von ORF-Anchorman Armin Wolf diesmal vor leerem Saal debattiert - auch mit der üblichen Rollenverteilung zwischen linken und rechten Fraktionen.

Einigkeit bei Rückerstattung der Studiengebühren für Corona-Semester
Einigkeit bei Rückerstattung der Studiengebühren für Corona-Semester

Großer Unterschied zu den letzten Jahren: Mit Sabine Hanger von der VP-nahen AktionsGemeinschaft (AG) stellt heuer erstmals seit Jahren keine linke Fraktion den ÖH-Vorsitz - weniger aufgrund der Mehrheitsverhältnisse als aufgrund der Uneinigkeit der linken Mehrheit von Grünen und Alternativen StudentInnen (GRAS), Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) und Fachschaftslisten. Deren ursprüngliche Koalition war im Sommer zerbrochen, seit dem Herbst ist Hanger ÖH-Chefin.

Studiengebühren und Studierendentickets

Dementsprechend hob diese immer wieder hervor, dass sie als einzige Verantwortung in der Krise Verantwortung übernommen habe. Inhaltlich etwas überraschend: Anders als die AG-Spitzenkandidaten der vergangenen Wahlen forderte Hanger keine komplette Abschaffung der Studiengebühren (worüber die ÖH aber ohnehin nicht selbst zu bestimmen hat, Anm.). Sie könne mit dem derzeitigen System der nur in Ausnahmefällen zu entrichtenden Studiengebühren (grundsätzlich ab Überschreiten einer bestimmten Semesteranzahl) gut leben - allerdings wünscht sie sich eben eine solche weitere Ausnahme für Berufstätige. Wie die Jungen Liberalen Studierenden (JUNOS) spricht sich die AG für Zugangsbeschränkungen in überlaufenen Studien aus. Als wichtigste AG-Forderung sieht Hanger die Einführung eines österreichweiten Studierendentickets um 365 Euro.

GRAS-Spitzenkandidatin Keya Baier hatte zunächst alle Hände voll zu tun, um die GRAS-Regelung, wonach nur FLINTs (Frauen, Lesben, Intersexuelle, nicht-binäre Personen und Transsexuelle) als Spitzenkandidaten kandidieren dürfen, zu verteidigen. Dies gelte bis zur Überwindung aller patriarchaler Strukturen und der Gleichstellung aller Personen. Ansonsten warb Baier für eine neue linke Koalition, lehnte Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren ab und will klimaneutrale Hochschulen zur Koalitionsbedingung machen.

"Statistisches Wunder"

"Ich bin ein statistisches Wunder", leitete VSStÖ-Spitzenkandidatin Sara Velic ihre Ausführungen ein. In Österreich würden nach wie vor Geldbörse und die Ausbildung der Eltern über die Chancen auf ein Studium entscheiden: Als Tochter einer migrantischen Arbeiterfamilie dürfte sie gar nicht hier stehen. Dementsprechend plädierte auch sie gegen Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen. Dass der VSStÖ in den letzten Jahrzehnten ausschließlich weibliche Spitzenkandidaten hatte, verteidigte sie damit, dass stets nach Kompetenz entschieden werde. Die Rückkehr nach der Pandemie an die Hochschulen will sie dazu nutzen, das gesamte Hochschulsystem zu hinterfragen

Alleinstellungsmerkmal der Fachschaftslisten sei deren parteipolitische Unabhängigkeit, hob deren Spitzenkandidatin Gabriele Urban wiederholt hervor. Auch sie würde am liebsten wieder eine linke Koalition bilden - inhaltlich plädierte auch sie wie VSStÖ und GRAS gegen Gebühren und Zugangsbeschränkungen sowie für die Pflichtmitgliedschaft in der ÖH und deren allgemeinpolitisches Mandat.

Apropos Unique Selling Point: Die JUNOS treten als einzige für breitflächige Studiengebühren ein, allerdings in nachgelagerter Form - also erst nach Abschluss des Studiums und dem Erreichen einer bestimmten Einkommenshöhe. Spitzenkandidatin Sophie Wotschke möchte die Studenten auch nach einem Semester die Möglichkeit geben, aus der ÖH-Pflichtmitgliedschaft hinauszuoptieren.

Kommunistische Listen mit "punktuellen Überschneidungen"

Traditionell scheiterten die beiden Spitzenkandidatinnen der beiden kommunistischen Listen, Elena Ellmeier (KSV-KJÖ) und Jessica Gasior (KSV-Lili), auch diesmal, den inhaltlichen Unterschied zwischen ihren Organisationen herauszuarbeiten. Ellmeier konzedierte sogar "punktuelle inhaltliche Überschneidungen". Gebühren und Beschränkungen lehnten auch sie ab, für das allgemeinpolitische Mandat und die Pflichtmitgliedschaft brachen sie eine Lanze.

Absolut unterscheidbar zu allen anderen Fraktionen ist dafür traditionell der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS). Er wird von allen als Koalitionspartner abgelehnt. Spitzenkandidat Matthias Kornek, der einzige "Bulle" in der sonst weiblichen "Elefantenrunde", will breitflächig Zwang an den Hochschulen abschaffen - von der "Zwangsmitgliedschaft" in der ÖH über den "Genderzwang" bei wissenschaftlichen Arbeiten bis zu - neuerdings - den "alternativlosen (Corona)-Testzwang" für die Teilnahme an Lehrveranstaltungen und Prüfungen. Wiederholt forderte er, dass Studenten, die sich nicht testen lassen wollen, mit Maske und Sicherheitsabstand die Unis besuchen sollen können (Wolf: "Sie müssen wirklich empfindliche Nasenlöcher haben").

Inhaltliche Einigkeit herrschte vor allem in zwei Punkten: Alle Fraktionen verlangen eine Rückerstattung der Studiengebühren für die Corona-Semester und finden die durch die Pandemie angetriebene vorangetriebene Digitalisierung an den Hochschulen grundsätzlich positiv - wenn auch mit unterschiedlichen Vorbehalten und Forderungen wie Gratis-Laptops und Gratis-Software.

(APA/red, Foto: APA)

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