OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher hat am Dienstag vor zu viel Arbeitsteilung in den Schulen gewarnt. Er habe Zweifel, ob Probleme gelöst werden, indem man immer mehr verschiedenes Personal wie Psychologen oder Sozialarbeiter einstelle. Es sei wichtig, dass Lehrkräfte die Kinder und Jugendlichen in ihrer Gesamtheit sehen können. "Wenn uns das verloren geht durch eine Industrialisierung der Arbeitsorganisation, kann der Lehrerberuf sogar weniger attraktiv werden."
Vor 15 Jahren wurden etwa in England auf Wunsch der Lehrer wegen Disziplinarproblemen im Klassenzimmer Assistenten als soziale Unterstützung eingeführt, die Pädagogen mussten im Gegenzug ein, zwei Stunden mehr unterrichten. In der Folge seien die Lehrkräfte dort deutlich unzufriedener mit ihrer Arbeit gewesen, weil sie weniger Kontakt mit den Schülern hatten. "Genau das ist verloren gegangen, was eigentlich den Lehrerberuf ausgemacht hat", nämlich zu sehen, wer das einzelne Kind ist, wer es werden möchte und wie man es dabei unterstützen kann. "Das ist im Grunde outgesourct worden, an die Psychologin, den Sozialarbeiter."
In Österreich hat das Bildungsministerium das Unterstützungspersonal in jüngerer Vergangenheit nach intensiven Forderungen der Lehrervertretung ausgebaut. Allerdings erhielten Lehrer in der Vergangenheit hierzulande im Vergleich mit anderen OECD-Ländern laut der letzten TALIS-Studie aus 2018 auch nur recht wenig Unterstützung. Damals kam auf 15 Lehrer ein Posten für administratives Personal (z.B. Sekretariat; EU: sieben Lehrer) und auf 19 Lehrer ein Posten für pädagogisch unterstützendes Personal (z.B. Psychologen; EU: acht Lehrer).
Gleichzeitig plädierte Schleicher dafür, Bürokratie zu verringern: "Der Anteil von Verwaltungsarbeit ist proportional zum Misstrauen im System." Es brauche vielmehr mehr Vertrauen und Verantwortung vor Ort. In den Niederlanden oder England etwa könnten die Schulleiter selbst entscheiden, wie sie ihr Gesamtbudget einsetzen. "Da können wir den Schulen mehr zutrauen." Auch Technologie könne den Schulen viel Verwaltungsarbeit abnehmen.
Im Klassenzimmer plädierte er indes für einen gut dosierten Einsatz. Technologie biete viele spannende Möglichkeiten, etwa das Lernen individueller zu gestalten, Schüler bei Lernschwierigkeiten zu fördern oder Lernprozesse durch virtuelle Realität anders zu gestalten. Lernen sei allerdings immer ein sozialer Prozess und Beziehungsarbeit. Deshalb sei auch ganz klar: "Handys haben in der Schule nichts zu suchen." Die Schüler würden dadurch abgelenkt, zeigen Befragungen im Rahmen der PISA-Studie.
Es gebe schon in vielen Ländern eine Trend zum Handyverbot - gerade in jenen Ländern, die am Anfang ganz enthusiastisch gewesen seien. Das sei freilich keine langfristige Lösung, müsse doch der Umgang mit Technologie geübt werden. Insgesamt müssten Bildungssysteme auf technologische Innovation früher reagieren, auf die Herausforderungen durch KI-Programme wie Chat GPT habe die OECD schon 2016 hingewiesen. Die Schulen würden hier alleine gelassen, etwa auch bei Fragen wie dem Umgang mit Datenschutz.
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