Nowotny: "Brexit Tragödie für die europäische Wissenschaft"

12. September 2018 - 14:05

Für die renommierte Wissenschaftsforscherin Helga Nowotny ist der Brexit für die europäische Wissenschaft eine "Tragödie", da in Großbritannien die wichtigsten EU-Forschungseinrichtungen seien. Die ehemalige Präsidentin des Europäischen Forschungsrates betonte kürzlich bei einer Buchpräsentation in Wien, dass Europa in der Forschung aufholen müsse, um nicht von den USA und China verdrängt zu werden.

Aktuelle Herausforderungen analysiert
Aktuelle Herausforderungen analysiert

"Innovation basiert auf Grundlagenforschung", sagte Nowotny. Europa sei auf diesem Gebiet zwar gut aufgestellt, doch würden die Erkenntnisse nicht umfangreich genug umgesetzt. "Im Gegensatz zu den USA und China gibt es in Europa nicht genug Risikokapital, um sorgloser forschen zu können", beklagte sie. Es brauche darum "mehr Zuversicht".

Der Sammelband "Re:thinking Europe", der bei der Veranstaltung vom Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFT) vorgestellt wurde, stellt darum Konzepte für die positive wissenschaftliche und technologische Entwicklung der EU zusammen. Das Buch beinhaltet 22 Beiträge von 30 Autoren aus zehn EU-Mitgliedsstaaten, zu denen unter anderem der Schriftsteller Robert Menasse und der EU-Kommissar für Forschung, Wissenschaft und Innovation, Carlos Moedas, gehören. "Dies ist der Beitrag des Rates zur Neuausrichtung Europas", erklärte der Projektleiter und stellvertretende RFT-Geschäftsführer Johannes Gadner.

Androsch fordert "große Anstrengungen"

"Wenn wir nicht den Abstieg in die Bedeutungslosigkeit wollen, müssen wir große Anstrengungen unternehmen" , mahnte auch der ehemalige SPÖ-Finanzminister und RFT-Vorsitzende Hannes Androsch und forderte eine "Verdoppelung" des Budgets für Forschung und Wissenschaft. "Europa hat dringenden Aufholbedarf", fügte er hinzu. Dafür sei jedoch ein "starkes, kooperierendes und solidarisches Europa" notwendig, das momentan aber "ganz offensichtlich" nicht existiere.

Da Europa für den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt zusammenstehen müsse, beschäftigt sich das Buch auch mit den geschichtlichen Hintergründen und dem politischen Status quo der EU: "Der erste Teil skizziert die Anfänge Europas und die wissenschaftliche Entwicklung und Expansion", so Gadner. Der zweite Teil analysiere aktuelle Herausforderungen und weise viele "heterogene Beiträge" auf, die jedoch allesamt dafür plädierten, dass einzelne Länder innerhalb Europas globale Herausforderungen nicht allein lösen könnten. So schreibt auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Geleitwort: "Eins ist dabei sicher: Angesichts der Vielzahl und Komplexität der Herausforderungen kann die Lösung nicht in der Rückkehr zum Nationalstaat liegen. Die Flucht in den Nationalismus und das Propagieren vermeintlich einfacher Lösungen sind der falsche Weg."

Der dritte Teil widme sich der "Voraussetzung für Europas Erfolg": Bildung und Wissenschaft. "Hierauf sollten wir uns mehr fokussieren", betonte Gadner. Die Artikel stellten darum unterschiedliche Forschungskonzepte für die EU vor, um besonders im Bereich der künstlichen Intelligenz aufzuholen. "Europa muss die weltweite Attraktivität zurückgewinnen", erklärte Nowotny. "Wir haben in Europa durch unsere Geschichte gelernt, komplexer zu denken, das muss weiter gefördert werden", fuhr sie fort. Auch in ihrem Beitrag, den sie zusammen mit dem österreichischen Unternehmer Hermann Hauser verfasste, betont sie, dass "wissenschaftliche Exzellenz wissenschaftliche Exzellenz anzieht".

Obwohl die EU vor vielen Herausforderungen steht, sind die Herausgeber keine Pessimisten. Mit dem Artikel "Das Europa von morgen. Eine Vision für 2050" des EU-Kommissar Moedas soll am Schluss des Werkes laut Gadner der Optimismus der Verfasser und Herausgeber unterstrichen werden.

Service: RE:THINKING EUROPE - Positionen zur Gestaltung einer Idee. Hrsg.: RFTE - Rat für Forschung und Technologieentwicklung, 360 Seiten, ISBN: 978-3-903207-15-8

(APA/red, Foto: APA/APA (AFP))

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