Neue Technische Universität in Linz geplant

27. August 2020 - 15:05

In Linz soll eine neue Technische Universität mit den Schwerpunkten Digitalisierung und digitale Transformation entstehen. Das wird Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in seiner Erklärung im Kanzleramt verkünden. Bei Details blieb man aber noch vage. Ob es sich um eine Ausgründung aus der Uni Linz handeln oder die neue Hochschule parallel bestehen soll, war zunächst unklar.

Corona habe gezeigt wie rasch die Digitalisierung voranschreitet, so Kurz
Corona habe gezeigt wie rasch die Digitalisierung voranschreitet, so Kurz

Die "Oö. Nachrichten" hatten bereits über mögliche Pläne für eine Technische Uni in Linz berichtet. Diese hat das Kanzleramt bestätigt. Laut einer Erklärung gab es bereits Gespräche mit Landeshauptmann Thomas Stelzer und Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (beide ÖVP).

Die Planung soll in den kommenden Monaten intensiviert werden, hieß es. Zu einem möglichen Zeitplan oder Standort war nichts bekannt. Nur soviel: Es sollen zusätzliche universitäre Ausbildungsplätze geschaffen werden, um den Bedarf an Fachkräften zu decken. Die neue TU Linz solle "gemeinsam mit den bestehenden technischen Hochschulen ein Digitalisierungsaushängeschild Österreichs werden", teilte das Bundeskanzleramt mit.

Standortvorteil durch Fachkräfte

"Gerade Corona hat gezeigt wie rasch die Digitalisierung voranschreitet. Wir haben in Österreich sehr viele innovative Unternehmen und viele große internationale Player interessieren sich für den Standort Österreich", umriss Kurz die Intention seiner Pläne. "Wenn wir es schaffen, die benötigten Fachkräfte hier im Land auszubilden, ist das in der Zukunft ein unschätzbarerer Standortvorteil."

Es habe Überlegungen und Gespräche gegeben, wie man in der Wirtschaftskrise "den Standort Österreich und Oberösterreich wieder stark machen kann", sagte LH Thomas Stelzer am Donnerstag am Rande einer Pressekonferenz zu den Plänen. Dabei sei man auf die Idee gekommen, "Industrie-Weiterentwicklung und Digitalisierung zu verknüpfen. Das ist wegweisend." Es gebe aber noch Bedarf an Gesprächen und Beratungen zu Punkten wie der Ausgestaltung der Institute oder den Standort. Auf die Frage, warum es eine eigene Universität werden soll und kein Teil der JKU und keine Fachhochschule, sagte er: "Die Entwicklung der FHs und der JKU hat Oberösterreich sehr weit gebracht. Die Entscheidung der Bundesregierung für eine eigene Universität sei "ein Kompliment an das, was bisher in Oberösterreich geschehen ist".

In Linz gibt es bereits die Johannes Kepler Universität (JKU). Sie bekam 2014 eine medizinische Fakultät dazu, hat aber traditionell einen starken technischen Fokus. Die Uni am Stadtrand mit zuletzt runderneuertem Campus, die als europaweit erste ein Mechatronik-Studium angeboten hat, verfügt etwa über ein internationales Lehr- und Forschungszentrum für Produkt- und Produktionsprozessforschung namens Linz Institute of Technology (LIT). Es vernetzt als gesamtuniversitäres Institut Forscher unterschiedlicher Fachbereiche. So wird dort etwa zu den Themen künstliche Intelligenz oder Roboterpsychologie geforscht. Unweit von Linz liegt der FH-Campus Hagenberg mit den Schwerpunkten Informatik, Kommunikation und Medien. Wo sich die neue TU in der oberösterreichischen Bildungslandschaft positionieren soll, war vorerst unklar.

Die letzten öffentlichen Uni-Neugründungen betrafen 2004 die Medizinischen Universitäten in Wien, Innsbruck und Graz, die aus ihren jeweiligen Stammunis ausgegliedert wurden. Davor wurde 1995 die Donau-Universität Krems eröffnet.

Uniko und Technische Unis skeptisch

"Vollkommen überrascht" von den Plänen zeigte sich die Vorsitzende der Universitätenkonferenz (uniko), Sabine Seidler. "Ich musste einmal tief Luft holen. Ich bin da immer hin- und hergerissen: Einerseits ist es gut, wenn mehr Geld ins System kommt. Andererseits darf das nicht zulasten des bestehenden Systems gehen - und letzteres wird in der Regel nie eingehalten."

Als Rektorin der Technischen Universität (TU) Wien frage sie sich, welchen Sinn eine neue Einrichtung mache, so Seidler zur APA. "Wir wissen ja außerdem viel zu wenig, was überhaupt 'neue Uni' bedeutet: Geht es um ein Zusammenziehen der JKU Linz mit der FH Hagenberg oder wirklich um etwas ganz Neues?"

Seidler: Verteilungsproblem damit nicht gelöst

Dazu komme der Umstand, dass man gerade im Bereich der Informatik eigentlich keinen Mangel an Studienplätze habe, sondern ein Verteilungsproblem. "Und dem kann man nicht begegnen, indem man eine neue Uni gründet. Es gibt in Österreich ausreichend Informatik-Studienplätze, die nicht besetzt sind", meinte die uniko-Präsidentin.

Grundsätzlich ist das Informatik-Studium in Österreich mit Zugangsbeschränkungen versehen. Allerdings gab es zuletzt im Sommer nur Aufnahmeprüfungen an den Unis in Wien. In den anderen Bundesländern waren dagegen ausreichend freie Plätze verfügbar.

Kainz: "Nicht durch zu viele kleine Einheiten selbst schwächen"

Ebenfalls skeptisch zeigte sich der Präsident der TU Austria, des Zusammenschlusses der drei technischen Unis (TU Wien, TU Graz, Montanuni Leoben, Anm.) in Österreich, und Rektor der TU Graz, Harald Kainz, gegenüber der APA. "Österreich ist mit drei technischen Universitäten schon sehr gut versorgt. In Bayern und Baden-Württemberg gibt es je zwei, in Hessen eine, und das sind Länder in der Größenordnung Österreichs bzw. größer."

"Aus der Struktur heraus würde ich daher keinen Bedarf sehen", betonte Kainz. "Wir müssen aufpassen, dass wir uns durch zu viele kleine Einheiten nicht selbst schwächen, weil wir eine kritische Größe brauchen, um international mithalten zu können. Wenn ich aus einem Kuchen viele Stücke machen möchte, werden die halt alle sehr schmal."

Ganz überraschend kommen für Kainz die Pläne für eine TU in Linz nicht. "Der Wunsch der Industrie und des Landes, sich mit einer TU zu verstärken, war bekannt." Sowohl in Innsbruck als auch in Linz habe es zuletzt die Einrichtung zahlreicher technischer Studien gegeben. "Die Frage ist nur: Sehe ich das aus Landes- oder aus Bundessicht? Als Land schätze ich es natürlich, wenn ich möglichst viele Unis im Land habe - aufgrund der attraktiven Studienplätze für die jungen Menschen und als Ausbildungsstätte für die Industrie. Aus bundespolitischer Sicht müssen die Ressourcen aber richtig gebündelt werden. Die bestehenden TUs sehen eine weitere TU als Verschwendung an."

Positiver äußerte sich dagegen der Rektor der Universität Linz, Meinhard Lukas: "Die Gründung einer universitären Einrichtung, die sich in Lehre und Forschung ganz der Digitalisierung verschreibt, ist eine spannende Idee", hieß es in einer der APA übermittelten Stellungnahme. Oberösterreich sei als Standort dafür "goldrichtig": "Hier kann auf der digitalen Exzellenz der JKU aufgebaut werden. Wir gehen natürlich davon aus, dass die JKU bei der Gründung der neuen Einrichtung eine zentrale Rolle spielt." Allerdings müssten Zweigleisigkeiten vermieden und Synergien optimal genutzt werden. "Daher ist auch der konkrete Standort für den Projekterfolg entscheidend."

Faßmann sieht "guten Tag für Universitäten"

Aufgrund des Vorstoßes der Bundesregierung und der OÖ Landesregierung in Richtung einer neuen Technischen Universität in Linz beurteilt Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) den 27. August als "guten Tag für die Universitäten". Es gelte abzuwarten, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in seiner Erklärung im Kanzleramt die Pläne für den neuen Hochschulstandort umreißt.

"Grundsätzlich finde ich es erfreulich, wenn mehr Geld in das universitäre System insgesamt, aber auch spezifisch gesteckt wird", sagte Faßmann am Rande der Alpbacher Technologiegespräche zur APA. Für den Präsidenten des Forschungsrates, Hannes Androsch, passt eine Technische Universität durchaus gut in das Industrieland Oberösterreich: "Allerdings hört man schon wieder kein Wort zur Finanzierung unserer Universitäten."

Universitäten in Österreich "chronisch unterfinanziert"

Im Gegensatz zur Schweiz habe Österreich bereits eine "Unzahl an chronisch unterfinanzierten Universitäten". Komme nun noch eine weitere klamme Uni dazu, "wird die Sache nicht besser werden". Bezüglich der Umsetzung des Vorhabens gebe es in Oberösterreich viele Möglichkeiten, auch im Zusammenhang mit den Fachhochschulen, sagte Androsch.

Außer der überraschenden Ankündigung selbst habe sich aber offenbar noch niemand den Kopf über die nachfolgenden Fragen zerbrochen. "Dem ganzen liegt offenbar kein Gesamtkonzept zugrunde: Man sät Gras. Wenn man aber Gras sät, wird man keine Erdäpfel ernten. Wir sehen bisher ja nicht einmal Gras", so Androsch.

Der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill, hat "sehr überraschend" von der Initiative erfahren. Als "grundsätzlich wichtigen Schritt" in Richtung eines Bekenntnisses der Politik zu den Themen Wissenschaft, Digitalisierung und Standort versteht Knill den Vorstoß. Bezüglich der Umsetzung habe man noch keine näheren Informationen, aber "durchaus Sorge, dass Mittel in bürokratischen Strukturen aufgehen und nicht in die so notwendige Forschung, Wissenschaft und Anwendung fließen".

Knill warnte gegenüber der APA davor, "dass wir uns hier durch eine Vielzahl an Technischen Universitäten nicht in Richtung Exzellenz entwickeln. Wir brauchen Größe und vor allem auch finanzielle Mittel." Man warte daher auf die Detailpläne zur Konstituierung der neuen Uni. Angesichts heuer sinkender Studentenzahlen in einigen technischen Fächern stehe der Beweis aus, "dass es eine zusätzliche Universität in dem Bereich benötigt", so der IV-Chef.

(APA/red, Foto: APA/APA (Hochmuth))

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