Navracsics: Erasmus als Mittel gegen "Isolation und Atomisierung"

4. September 2018 - 8:59

EU-Jugendkommissar Tibor Navracsics möchte die sozialen Pfeiler des EU-Bildungsprogramms Erasmus ausbauen. Insbesondere ein neu aufgelegtes Erasmus-Jugendkapitel könne dazu beitragen, Jugendliche vor "Isolation, Marginalisierung und Atomisierung" zu bewahren, der derzeit "größten Gefahr" für junge Menschen, sagte Navracsicis beim "EU-Bürgerforum" im Haus der Europäischen Union in Wien.

"DiscoverEU" stellt Jugendlichen kostenlose Interrailtickets zur Verfügung
"DiscoverEU" stellt Jugendlichen kostenlose Interrailtickets zur Verfügung

Man müsse "Werkzeuge entwickeln", um Menschen "mit weniger Chancen" zu integrieren. Gleichzeitig kündigte Navracsics an, Erasmus von Hochschulen auf Schulen ausweiten zu wollen. Eine Harmonisierung der Sekundarstufen der Mitgliedsländer sei dafür nicht erforderlich, aber man arbeite an einem Konzept, um die Anrechenbarkeit von Schulabschlüssen zwischen den Mitgliedsstaaten zu erleichtern. Ein "Netzwerk von Interaktion" zwischen Nationalstaaten solle geschaffen werden, um Hürden bei Austauschprogrammen abzubauen.

Bildung sei der Schlüssel zu einer funktionierenden Demokratie, zeigte sich der Kommissar überzeugt, gab aber zu bedenken, dass man sich vom Bildungswesen vielleicht "zu viel" erwarte. Lehrer könnten nicht "die Fehler" korrigieren, die innerhalb der Familie passierten. "Wir versuchen die Verantwortung von der Familie an die Institutionen abzuschieben", sagte der Kommissar, der auch für Bildung zuständig ist. Dabei fehle den Lehrern "die emotionale Wärme", die nur das Elternhaus geben könne. "Ich stimme vollkommen zu", kommentierte Familien-, Frauen- und Jugendministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) die Ausführungen des EU-Kommissars. "Wir müssen die Eltern dabei unterstützen, ihre Kinder zu erziehen."

Interrail als Einstieg für Erasus

Recht energisch verteidigte Navracsics beim Bürgerdialog das umstrittene Reiseprogramm "DiscoverEU", das Jugendlichen kostenlose Interrailtickets zur Verfügung stellen soll. Im Rahmen eines Pilotprojekts wurden seit Juni 15.000 Tickets verteilt. Kritiker bemängeln den ihres Erachtens geringen pädagogischen Wert der Aktion und die nicht gegebene soziale Treffsicherheit. Es würde nur "reichen Kindern" zugutekommen, die fließend Englisch sprächen, meinte eine junge Frau aus dem Publikum. "'DiscoverEU' ist keine Spaß-Reise", antwortete der Kommissar. Es sei als Art "Einstieg" für Erasmus zu betrachten. Deswegen habe man für das Pilotprojekt jene bevorzugt behandelt, die Fremdsprachen beherrschten, und schon etwas über die EU wüssten. "Es geht nicht um Geld, oder Bildung, sondern nur um Interesse", sagte der Kommissar. Eine soziale Komponente könnte später aber noch hinzutreten, räumte er ein. "Neue Formate sind wichtig", sagte Bogner-Strauß. 'DiscoverEU' müsse aber noch evaluiert werden, bevor man weiter planen könne.

Die Jugendministerin betonte neuerlich die Bedeutung des Dialogs mit der Jugend, um die europäische Jugendpolitik sinnvoller zu gestalten. Macht gebe man jungen Menschen, indem man ihnen zuhöre und Platz einräume, wie es im Rahmen des informellen Jugendrats geschehen sei. Dieser Ansicht schien sich der Ungar Navracsics nicht ganz anschließen zu wollen. "Macht wird einem nicht gegeben, Macht muss man erwerben." Die Jugendvertreter könnten dies tun, indem sie die politischen Akteure genau analysierten und Druck auf sie ausübten. Nur so könnten aus "netten Worten nette Taten" werden.

(APA/red, Foto: APA/APA (OTS/ÖBB))

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