GPS, Galileo, IRNSS - Steuerung und Überwachung von Flugzeugen und Schiffen oder des Straßen- und Schienenverkehrs sind ohne diese und weitere satellitengestützte Navigationsnetzwerke (Global Navigation Satellite Systems, GNSS) schwer denkbar. Die Störung ihrer Signale kann weitreichende Folgen haben, viele Anwender sind sich jedoch der Gefahren für die eigene Infrastruktur nicht bewusst. An der TU Graz wurde ein Tool entwickelt, das das jeweilige Risiko einschätzt.
Ob Navigation, Telekommunikation oder Online-Banking: Die Verwendung von Globalen Navigationssatellitensystemen (GNSS) und die damit verbundene ständige Verfügbarkeit einer Positionsangabe und einer präzisen Zeitmessung sind in vielen Lebensbereichen zur Selbstverständlichkeit geworden. Durch die stetig steigende Zahl von Anwendungen und Nutzern aber auch die zunehmende Zahl von GNSS-Störangriffen werde es laut Aussendung der TU Graz zunehmend wichtiger, sich auch über die Risiken und vorbeugende Maßnahmen Gedanken zu machen. Von GNSS-Störungen können die Luft- oder Schifffahrt, Transport und Mobilität generell ebenso betroffen sein, wie der Finanzmarkt, die Landwirtschaft oder Rettungsdienste.
Die Arbeitsgruppe Navigation am Institut für Geodäsie der TU Graz widmet sich dieser Thematik bereits geraume Zeit. "Das Thema der GNSS-Interferenzen ist hochbrisant und hat im Zuge des Ukraine-Krieges, der Krise in Israel und des Bürgerkriegs in Syrien massiv an Bedeutung gewonnen", hielt Philipp Berglez vom Institut für Geodäsie fest. So habe Russland bereits vor dem Einmarsch in die Ukraine in den Aufmarschregionen damit begonnen, GNSS-Empfänger absichtlich zu stören, um für Verwirrung bei der Navigation zu sorgen.
Die Signale können auf zwei Weisen gestört werden: Beim Jamming wird ein rauschartiges Störsignal auf denselben Frequenzen gesendet, wodurch der Empfänger seine Position nicht mehr bestimmen kann. Beim Spoofing werden falsche Signale erzeugt, um den Empfänger über seine tatsächliche Position zu täuschen oder die Zeitsynchronisation zu fälschen. Die Erkennung von Interferenzen ist ein wichtiger Faktor für eine größere Widerstandsfähigkeit kritischer Infrastrukturen. Die Grazer Arbeitsgruppe hat ein Tool entwickelt, das es Unternehmen ermöglicht, die eigene Infrastruktur auf Gefährdungen zu prüfen und die Planung vorbeugender Maßnahmen in Angriff zu nehmen.
Das Risikoanalyse-Tool basiert auf Machine-Learning-Modellen, die mit echten und simulierten Jamming- und Spoofing-Daten trainiert wurden. Die Echtdaten der Störangriffe sammelten sie mit mehreren Typen von Störsendern, um eine größere Bandbreite abzudecken, als Datenempfänger kamen unterschiedliche Modelle und auch Smartphones zum Einsatz.
Für die Analyse der Empfängerdaten gibt es drei Ansätze, die sich an der Qualität des Empfängers orientieren: einfache Analyse bei Smartphones für Positionsdaten, detaillierte Analyse geodätischer Empfänger und eine fortgeschrittene Methode mit speziellem Empfangsequipment. Das Tool zeigt nun das Risiko von Störungen mittels eines Ampelsystems an, wobei grün kein Risiko, gelb ein potenzielles und rot ein tatsächliches Risiko signalisiert.
Bei der Testung mit verschiedenen Störangriffen habe man eine Genauigkeit von 96 Prozent bei der Detektion erreicht. Berglez betonte die Bedeutung von Sicherheits- und Resilienzmaßnahmen für kritische Infrastruktur auch für Österreich. "Dadurch lassen sich beispielsweise Ausfälle des Strom- oder Telekommunikationsnetzes aufgrund einer absichtlich herbeigeführten GNSS-Störung verhindern", so der Experte. Das Risikobewertungs-Tool ermögliche eine wirksame Einschätzung der Schwächen der jeweiligen Systeme als Basis geeigneter Gegenmaßnahmen. Es liegt bereits in Form eines Demonstrators vor.
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