Nach Europa eingeschleppte Säugetiere gefährden Umwelt und Gesundheit

24. November 2021 - 10:59

"Nach Europa eingeschleppte Säugetiere bedrohen die einheimische Artenvielfalt und die menschliche Gesundheit - mit Folgen, die in der Vergangenheit weitgehend übersehen wurden", warnen Wissenschafter, darunter Biologen der Uni Wien, in einer internationalen Studie, die im Fachjournal "Mammal Review" veröffentlicht wurde. Viele dieser invasiven Arten breiten sich begünstigt durch den Klimawandel immer schneller aus. Und sie sind potenzielle Überträger von Krankheitserregern.

Auch der Waschbär lässt sich immer öfter blicken
Auch der Waschbär lässt sich immer öfter blicken

Es sind putzige Tiere, die in den vergangenen Jahrzehnten von Menschen meist als Haus- oder Pelztier nach Europa gebracht wurden und sich seither rasch ausbreiten: So finden sich Waschbär, Marderhund, Grauhörnchen oder Nutria unter den 16 Säugetieren, die die EU auf ihre 2016 erstmals veröffentlichte und seither mehrmals aktualisierte "Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung" aufgenommen hat. Lisa Tedeschi von der Sapienza Universität in Rom und der Universität Wien hat mit Kollegen 262 in den vergangenen Jahren veröffentlichte Studien zu diesen 16 Säugetierarten analysiert und zusammengefasst, wie sie sich am alten Kontinent ausgebreitet haben und welche negativen Auswirkungen das hat.

Wichtigste Quelle: Haustiere

Die meisten eingeschleppten Arten weiten ihr Verbreitungsgebiet aus und erobern nach und nach benachbarte Territorien und Länder. Von 1981 bis 2020 wurden im Schnitt jedes Jahr 1,2 Arten erstmals als gebietsfremde Säugetiere in einem Land Europas registriert. Die wichtigsten Quellen für die untersuchten Arten waren Haustiere, die entkamen oder ausgesetzt wurden, gefolgt von Zoos und Pelzfarmen.

Nach Frankreich sind die meisten invasiven Säugetierarten eingedrungen, gefolgt von Deutschland, Italien und Russland. Die Bisamratte (Ondatra zibethicus), der Amerikanische Nerz (Neovison vison) und der Marderhund (Nyctereutes procyonoides) sind die am weitesten verbreiteten Arten. Sie kommen mittlerweile jeweils in mindestens 27 Ländern vor.

Klimawandel spielt bedeutende Rolle

Auch in Österreich sind alle diese Arten mittlerweile zu finden, erklärte Franz Essl vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien: Dabei hätten sich mit Ausnahme der Bisamratte, die schon lange in Österreich ansässig ist, die anderen Arten erst seit der Jahrtausendwende in Österreich festsetzen können. Der Klimawandel spielt dabei eine bedeutende Rolle, da harte Winter etwa für Waschbär und Nutria ein Problem darstellen.

"Viele dieser invasiven Arten können verwandte heimische Arten verdrängen, etwa weil sie Krankheiten übertragen", erklärte Essl gegenüber der APA. Als Beispiel nennt er das eingeschleppte Grauhörnchen, das in Großbritannien das Europäische Eichhörnchen schon nahezu völlig verdrängt wird, weil es einen Krankheitserreger überträgt, für den die einheimische Art anfällig ist. Zudem gebe es sehr anpassungsfähige Arten, die recht häufig werden können, "wie Nutria, Bisamratte oder Waschbär, die Auswirkungen auf die Ökosysteme haben, etwa die Schädigung von Großmuschelbeständen durch die Bisamratte", so der Biologe.

Säugetiere als Reservoir von Krankheitserregern

Die Forscher weisen in ihrer Studie aber auch darauf hin, dass Säugetiere "ein wichtiges Reservoir von Krankheitserregern sind, und bei engem Kontakt Überträger auf den Menschen sein können", so Essl. Bei den 16 in der Studie untersuchten Arten kennt man Infektionen mit 224 Krankheitserregern, 64 Prozent davon besitzen zoonotisches Potenzial, können also auch auf den Menschen übertragen werden. Das gilt für 49 Prozent der Erreger, die bekanntermaßen den Amerikanischen Nerz infizieren, 67 Prozent der Erreger vom Marderhund, 78 Prozent vom Waschbären und 100 Prozent von der Bisamratte. Im Zuge der Covid-19-Pandemie hatte sich auch gezeigt, dass der Amerikanische Nerz als Wirt für das SARS-CoV-2 fungieren kann.

Um die weitere Einschleppung invasiver Arten in Europa zu verhindern und bei schon vorkommenden Arten die weitere Ausbreitung zu stoppen, fordern die Studienautoren eine konsequente Umsetzung der EU-Verordnung zu invasiven Arten. So umfasse die EU-Liste nicht alle wichtigen Arten und sollte speziell im Hinblick auf die Auswirkungen ausgeweitet werden. Zudem sollte der Fokus auf einen vorausschauenden Zugang und der konsequenten Umsetzung von Maßnahmen gelegt werden, damit potenziell problematische Arten erst gar nicht eingeschleppt und freigesetzt werden. "Denn bei Arten, die schon häufig sind, sind die Möglichkeiten limitiert", so Essl.

Service: http://dx.doi.org/10.1111/mam.12277

(APA/red, Foto: APA/APA/dpa)

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