Minderjährigen Flüchtlingen steht in Österreich ein besonderer Schutz zu. Doch wie kann man ihr Alter objektiv feststellen, wenn Dokumente fehlen? Röntgenuntersuchungen sind wegen der Strahlungsdosis umstritten. Eine schonende Methode zur Altersfeststellung junger Menschen anhand biologischer Merkmale hat nun eine Grazer Forschergruppe entwickelt, teilte der Wissenschaftsfonsds FWF mit.
Für junge Flüchtlinge, die alleine unterwegs sind, gelten spezielle Asylregeln. Die Festlegung ob minder- oder volljährig macht jedoch den Unterschied. Doch die Methoden, das Alter von Schutzsuchenden festzustellen, die keinen Ausweis vorlegen können, sind mangelhaft. Eine Diagnosemethode, um das Alter eines Menschen exakt zu bestimmen, gibt es noch gar nicht. Anhand des Entwicklungsstandes der Wachstumsfugen der Fingerknochen, der Weisheitszähne und des Schlüsselbeins kann das Mindestalter geschätzt werden. Zur Untersuchung ist allerdings der Einsatz von Röntgenstrahlung notwendig und in Österreich daher etwa nur durch eine juristische Ausnahmeregelung möglich.
"Die Standardmethode sieht heute so aus, dass Röntgenbilder der Hand, der Weisheitszähne und ein Computertomografiebild des Schlüsselbeins aufgenommen werden", schilderte Martin Urschler vom Ludwig Boltzmann Institut für klinisch-forensische Bildgebung in Graz. "Einerseits gibt es gesundheitliche Bedenken, vor allem wegen der Computertomografie des Schlüsselbeins, wo viele wichtige Organe von starker Röntgenstrahlung betroffen sind. Andererseits weiß man, dass je nach Expertise der Begutachtenden die Schätzungen zwischen einem halben Jahr und zwei Jahren divergieren können", fasste Urschler die unbefriedigende Situation zusammen. Denn falsche Befunde können große Nachteile für die Betroffenen haben. Das Grazer Team suchte daher einen neuen Weg der Altersbestimmung.
Ausgefeilten Algorithmen und automatisierte Altersbestimmung
Mit Unterstützung des FWF hat Urschler mit Kollegen vom Institut für Maschinelles Sehen und Darstellen an der TU Graz eine automatisierte Altersbestimmung mittels Magnetresonanztomografie (MRT) und ausgefeilten Algorithmen, die aus den enormen "Big-Data"-Mengen lernen, entwickelt. "Im FWF-Projekt FAME haben wir die bestehende Methode insofern verbessert, als dass wir durch den Einsatz der MRT-Bildgebung keinerlei potenziell schädliche Röntgenstrahlung bei gesunden Probanden benötigen, dreidimensionale Strukturen der betrachteten anatomischen Strukturen erfassen, und eine objektivierte, reproduzierbare Altersschätzung durch den Einsatz einer Altersschätzungssoftware durchführen können", resümierte Urschler.
Die Forscher haben zuerst nach Probanden zwischen 13 und 23 Jahren gesucht, die MRT-Bilder ihrer Hände, Schlüsselbeine und Zähne machen ließen. Die Datenbank umfasst mittlerweile die entsprechenden Bilddatensätze von rund 350 Personen - allesamt männlich und von kaukasischer Abstammung, um ethnische Variabilität auszuschließen, wie der Forscher erklärte. Auf dieser Grundlage haben die Forscher zuerst neue Methoden zur vollautomatischen Lokalisierung von anatomischen Strukturen aus MRT-Bildern herangezogen. Daraus wurde ein Algorithmus entwickelt, der die Alterseinschätzung automatisch vornehmen kann.
Die Einschätzungsgenauigkeit mit der MRT-Methode und maschinellem Lernen liege zurzeit noch im Bereich der Röntgenmethode, "aber wir haben die Vorteile der verbesserten Objektivität, der Reproduzierbarkeit und der fehlenden Strahlenbelastung", hob Urschler hervor. Die genaue Fehlerabschätzung soll demnächst publiziert werden. Die entwickelte Methodik wollen die Forscher in einem nächsten Schritt auf größeren, heterogeneren Datensätzen erproben. "Dann wäre die Methode rechtlich das gelindeste Mittel zur Altersbestimmung und hätte das Potenzial dank der vergleichbaren Genauigkeit die derzeitigen Röntgenverfahren zu ersetzen", hielt der Grazer Computerwissenschafter fest.
(APA/red, Foto: APA/Levi Clancy/Wikimedia Commons)