Medizin-Aufnahmetest - Rektoren über Diskussion überrascht

14. November 2022 - 16:05

Die Rektoren der Medizin-Universitäten sind angesichts der Debatte um den Medizin-Aufnahmetest (Med-AT) überrascht. Zuletzt wurden sowohl der Test selbst als Voraussetzung für das Studium in Frage gestellt als auch zusätzliche Kriterien dafür gefordert. Dabei habe es eine "Reihe von Missverständnissen und verzerrenden Behauptungen" gegeben, so der Rektor der Medizin-Uni Wien, Markus Müller vor Journalisten. Der Med-AT teste die Studierfähigkeit ab - und das tue er recht gut.

Der Test soll vor allem Aussagen zur Studierfähigkeit treffen
Der Test soll vor allem Aussagen zur Studierfähigkeit treffen

Begonnen hat die Debatte mit dem Vorschlag eines Primars, die Zulassung statt von einem Test von der Absolvierung eines Pflegepraktikums abhängig zu machen. Das wurde zwar praktisch einhellig abgelehnt, Gesundheitslandesräte hatten aber auch die Berücksichtigung zusätzlicher Kriterien wie ehrenamtliche Tätigkeiten, Schulnoten oder die Tätigkeit als Rettungssanitäter oder Pflegekraft gefordert. Die Ärztekammer wiederum wollte die stärkere Einbeziehung von empathischen Fähigkeiten beim Test.

Seit 2013 entscheidet der jedes Jahr Anfang Juli durchgeführte MedAT darüber, wer an den öffentlichen Medizin-Unis Wien, Graz und Innsbruck bzw. der Medizin-Fakultät der Uni Linz die Ausbildung in Human- bzw. Zahnmedizin anfangen kann. Die derzeit 1.850 Plätze gehen an die Studienwerber mit den besten Testergebnissen, wobei 75 Prozent der Plätze für Personen mit österreichischem Maturazeugnis reserviert sind. Inhalte des ganztägigen Tests sind Oberstufenwissen aus Biologie, Chemie, Physik und Mathematik, Lesekompetenz und Textverständnis sowie kognitive Fertigkeiten (etwa Zahlenfolge, Merkfähigkeit, Implikationen erkennen). In einem eigenen Testteil müssen "sozial-emotionale Kompetenzen" nachgewiesen werden, angehende Zahnmediziner müssen auch manuelle Fertigkeiten demonstrieren.

"Was uns stört, ist, dass der jetzigen Generation von Jungmedizinern, die das Aufnahmeverfahren absolviert haben, fehlende Empathie vorgeworfen wird", meinte Müller. "Warum führt man sonst diese Diskussion?" Sein Amtskollege Wolfgang Fleischhacker (Medizin-Uni Innsbruck) erinnerte dass soziale Kompetenz nicht das einzige Kriterium für einen künftigen Arzt sein könne. "Das in Balance zu halten, wäre mir ein Anliegen." Und genau diese Kompetenzen wolle man ja auch im Studium entwickeln - von der ärztlichen Gesprächsführung bis zu interprofessionellen Kompetenzen, die im Studium durch Tätigkeiten etwa in der Hauskrankenpflege und ähnlichem erworben werden müssen.

Naturwissenschaftliches Wissen wichtig

Auch Müller erinnerte daran, dass Medizin ein naturwissenschaftliches Fach ist - insofern sei es auch logisch, dass ein Aufnahmetest Wissen aus diesem Bereich abfrage. "Wir gehen davon aus, dass vieles, was wir beim Med-AT erwarten, de facto Mittelschulwissen ist. Wir brauchen aber, weil wir kein faires Verfahren haben wie eine Zentralmatura (in diesen Fächern, Anm.), eine Art Qualitätskontrolle."

Primär müsse der Test daher eine Voraussage über die Studierfähigkeit treffen - und das tue er auch, so Müller: Betrug die Drop-Out-Quote vor Einführung eines Aufnahmeverfahrens noch etwa 50 Prozent, seien es nun fünf Prozent.

Gegen eine Einbeziehung von freiwilligen sozialen Tätigkeiten in die Aufnahmekriterien sprach sich Sabine Vogl, Vizerektorin für Lehre an der Medizin-Uni Graz, aus. Tue man dies, münde dies sofort in eine "Pseudo-Freiwilligkeit" - innerhalb eines Jahres würden dann praktisch alle Bewerber solche vorweisen. "Und dann ist es nicht mehr freiwillig." Dazu käme die Schwierigkeit, Praktika aus unterschiedlichsten Organisationen miteinander zu vergleichen. Schließlich ortete sie auch soziale Ungerechtigkeiten: Wer dazu verdienen müsse, könne sich freiwillige soziale Tätigkeiten oft nicht "leisten".

Wie angekündigt ab 2023 ausgebaut wird der Testteil zu den sozial-emotionalen Kompetenzen. In diesem Testitem soll die Anzahl der Fragen verdoppelt werden, so Vogl. Ob dies additiv zum derzeitigen Test erfolgt oder andere Teile wegfallen, sei noch Gegenstand von Abstimmungen mit dem Bildungsministerium. Die Unis selbst plädieren für die zusätzliche Aufnahme. Konkret sollen die Studienwerber im neuen Testteil nicht nur wie bisher feststellen, welche Emotionen bei einem imaginären Gegenüber auftreten, sondern auch eine adäquate Reaktion darauf darstellen.

Keine zusätzliche Ärzte zu gewinnen

Mit der Art der konkreten Auswahl der Studienwerber werde man aber ohnehin keine zusätzlichen Ärzte gewinnen, sind sich die Rektoren einig. Auf den weiteren Weg ihrer Absolventen habe man nur wenig Einfluss, so Fleischhacker. "Ein wertschätzender Umgang mit ihnen beinhaltet das rasche Zur-Verfügung-Stellen von Ausbildungsplätzen. Viele sagen uns beim Abholen ihrer Dekrete, sie gehen nach Garmisch (Deutschland, Anm.), weil dort können sie gleich am Montag zu arbeiten beginnen." Man müsse etwa die Krankenhausträger in die Pflicht nehmen, schneller Absolventen aufzunehmen.

Ähnlich auch Müller: "Das Thema muss sein, dass der Bereich der versorgungswirksamen Medizin finanziell, strukturell und auch im Narrativ gestärkt wird. Wenn ich bei einer Kassenstelle weiß, ich muss diese und diese Zahl an Patienten durchschleusen, um finanziell überleben zu können und dann gibt es im Ort nicht einmal einen Kindergarten, dann ist das kein attraktives Lebensmodell."

Und auch über die öffentliche Diskussion über die Anzahl der Ärzte wundert sich Müller: "Bis 2005 hat es das Narrativ von der Ärzteschwemme gegeben, dann ist das gekippt in Richtung Ärztemangel - wir hatten aber offenbar nie genau die richtige Anzahl." Dabei habe es vor 20 Jahren rund 30.000 Ärzte gegeben, heute stünden 47.000 in der Ärzteliste.

(APA/red, Foto: APA/EVA MANHART)

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