19.2.2025, 17:15 Uhr

"Material-Erinnerung" spielt bei statischer Elektrizität große Rolle

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Die sprunghafte Übertragung von elektrischer Ladung ist ein weithin bekannter Effekt und ein ebenso beliebtes Vehikel, um Elektrizität sicht- und fühlbar darzustellen. Vollständig fassen lässt sich das Phänomen allerdings bis heute nicht. Physiker vom Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg sind dem nun etwas näher gekommen. Sie zeigen im Fachblatt "Nature", dass die Berührungshistorie der beteiligten Teile ihr Verhalten zueinander beeinflusst.

Wissenschafter sprechen in diesem Zusammenhang von "Kontaktelektrisierung". Man findet sie bekanntlich u.a., wenn man einen Luftballon an Haaren reibt, aber mitunter auch bei der Interaktion zweier gleicher Materialien, wie sich am Kontakt zwischen zwei Luftballons ablesen lässt. Gerade an letzterem Beispiel lasse sich illustrieren, warum Wissenschafterinnen und Wissenschafter ihre liebe Not mit dem Phänomen haben. Denn in welche Richtung sich die Elektrizität von einem auf den anderen Ballon überträgt, lässt sich nicht immer verlässlich vorhersagen, heißt es in einer Aussendung des ISTA.

Viele Fragezeichen um "triboelektrische Reihen"

Dementsprechend schwer ist es, selbst Proben aus ein und demselben Material in eine Art Rangreihe zu bringen, die widerspiegelt, wer sich zu wem elektrisch negativ oder positiv auflädt. Das war auch bei Versuchen zu sogenannten "triboelektrischen Reihen" so, die das Team um Scott Waitukaitis und Juan Carlos Sobarzo mit Blöcken aus einem Kunststoff auf Basis von Silikon namens Polydimethylsiloxan (PDMS) machten. Die Ergebnisse ergaben weitestgehend Muster, die sich nicht wiederholten.

Im Laufe der Versuche fiel den Wissenschaftern aber auch auf, dass sich bereits mehrfach verwendete Proben besser in eine triboelektrische Reihe bringen ließen als frische Proben. "Sobald wir angefangen haben, die Kontakthistorie der Proben zu verfolgen, ergaben vermeintliche Zufälligkeit und Chaos tatsächlich einen Sinn", wird Waitukaitis zitiert. Nach rund 200 Kontakten stellt sich ein Muster ein: Die Probe, die insgesamt schon öfter mit einer anderen interagierte, war immer negativ gegenüber einer Probe geladen, deren Kontakthistorie etwas kürzer war.

Kleine Änderung in Nanostruktur mit großer Wirkung?

In einem Perspektivenartikel zu den "cleveren Experimenten" der niederösterreichischen Physiker in "Nature" bezeichnen Daniel Lacks von der Case Western Reserve University in Cleveland (USA) und Mamadou Sow von der französischen Atomaufsichtsbehörde (ASNR) dies als eine Art "Erinnerung" des Materials an vorangegangene Kontakte. Freilich hinkt dieser Vergleich, da die Wissenschafter in ihren Analysen den Sitz dieser Quasi-Erinnerung in der Feinstruktur an der Oberfläche des Polymers vermuten.

Untersuchungen zeigten nämlich winzige Veränderungen in der Rauheit der Materialien. So präsentieren sich öfters kontaktierte Oberflächen mit etwas weniger Mikro-Unebenheiten - sprich leicht abgewetzt. Wie sich diese kleinen Veränderungen konkret auf die Kontaktelektrisierung auswirken, sei aber noch offen, heißt es. Es könnte sein, dass solch subtile Veränderungen der Oberflächen die Art und Weise, wie stark Elektronen oder geladene Atome (Ionen) dort angebunden sind, systematisch beeinflussen, schreiben Lacks und Sow.

Service: Die Arbeit online: https://dx.doi.org/10.1038/s41586-024-08530-6

APA/red Foto: APA/APA/ISTA