"Losing Earth": 40 Jahre Negierung des Klimawandels

19. April 2019 - 11:23

Es ist ein frustrierendes Buch. "Losing Earth" von Nathaniel Rich lässt sich auf einen Punkt bringen: Alle wesentlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Klimawandel und Erderwärmung sind seit mindestens 40 Jahren bekannt und werden von der US-Politik seither bewusst, fahrlässig und hartnäckig ignoriert.

Eine Reportage wie ein Demonstrationsaufruf für die "Fridays for Future"
Eine Reportage wie ein Demonstrationsaufruf für die "Fridays for Future"

Der in New Orleans lebende Journalist und Autor Nathaniel Rich (38) widmet sich in seiner Reportage dem Jahrzehnt zwischen 1979 und 1989, vom offenen Ohr, das die Administration von US-Präsident Jimmy Carter für die Dringlichkeit des Problems hatte, bis zur unverhohlenen Brutalität, mit der die US-Delegation im November 1989 bei einer Konferenz in Holland den bereits greifbaren Abschluss eines internationalen Abkommens zur Reduzierung der CO2-Emissionen torpedierte. So nahe sei man entscheidenden Maßnahmen nie mehr gekommen, schreibt Rich. "Die Erfolgsaussichten waren so günstig, dass sie heute märchenhaft wirken."

Nicht Handeln ist nicht sexy

Unzählige Namen, Initiativen, Konferenzen und US-Kongressanhörungen führt Rich in seiner akribischen Recherche an, die letztlich in vielen sich wiederholenden Beispielen nur eines belegen: Die Industrie hatte immer die größeren Mittel und damit die stärkere Lobby als die Wissenschaft, ihre Interessen durchzusetzen. Und den Wissenschaftern und Umweltverbänden ist es bisher nie gelungen, die Folgen heutigen Nicht-Handelns für spätere Generationen so drastisch darzustellen, dass eine auf sehr kurze Legislaturperioden und Amtszeiten eingestellte Politik sich zum Handeln gezwungen sah. Auch "Losing Earth" ist letztlich ermüdend in der ewigen Wiederkehr des Immergleichen. Nicht Handeln ist eben nicht sexy.

"Alle wussten sie Bescheid - und wir wissen es immer noch. Wir wissen, dass der schrittweise oder auch schlagartige Wandel unseres Planeten die ganze Weltordnung verändern wird. Wir wissen, dass wir den Untergang unserer Zivilisation riskieren, wenn wir die Emissionen nicht drastisch reduzieren", schreibt Rich. Und: "Wo stehen wir heute? Seit dem 7. November 1989, dem letzten Tag der Konferenz von Noordwijk, wurde mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre abgegeben als in der gesamten Menschheitsgeschichte davor. (...) Die politische Situation hat sich allenfalls in Kleinigkeiten, aber nicht grundsätzlich verändert." Ein Buch wie ein Demonstrationsaufruf für die "Fridays for Future", das gleichzeitig aber die Gewissheit vermittelt: Freitage werden wohl nicht reichen.

Service: Nathaniel Rich: "Losing Earth", aus dem Englischen von Willi Winkler, Rowohlt Berlin, 236 Seiten, 22,70 Euro

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(APA/red, Foto: APA/Rowohlt Berlin)

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