Um den Musikunterricht an Schulen ist es laut Österreichischem Musikrat (ÖMR) schlecht bestellt. Seit Jahrzehnten gebe es zu wenige Musiklehrerinnen und -lehrer, zuletzt hat sich die Lage aber zugespitzt, warnt Ferdinand Breitschopf, Fachinspektor für Musik in Wien und ÖMR-Vorstandsmitglied. Besonders prekär sei die Situation an Mittelschulen in Wien, wo es kaum noch Unterricht durch voll ausgebildete Musikpädagogen gebe. Er befürchtet als Folge "musikalische Analphabeten".
Der Mangel habe sich seit zehn, 15 Jahren angekündigt. In Wien und Niederösterreich sei stets ein Viertel der Musikstunden von Lehrern unterrichtet worden, die nicht das Lehramtsstudium, sondern berufsnahe Studien wie Instrumentalmusik, Musikwissenschaft oder Konzertfach abgeschlossen hatten. "Aber jetzt marschieren wir von den Leuten, die heuer anfangen, in Richtung 50 Prozent oder mehr", so Breitschopf zur APA. "Dieses Problem ist in den letzten drei Jahren wirklich eskaliert." Engpässe gibt es auch in den anderen Bundesländern. So wurde Anfang März an der Salzburger Musik-Uni Mozarteum eine Initiative gegen den Musiklehrermangel in Oberösterreich und Salzburg gestartet.
Ausbildungsplätze fehlen
Es gebe zu wenige Ausbildungsplätze für Musiklehrkräfte, schildert Breitschopf am Beispiel der Region Nord-Ost (Wien, Niederösterreich). Dabei spielt auch die Umstellung der Ausbildung für Sekundarstufelehrer (Mittelschule, AHS, BMHS) von 2016 hinein: Diese werden seither in bundesländerübergreifenden Verbünden von Unis und Pädagogischen Hochschulen (PH) gemeinsam ausgebildet. In der Region Nord-Ost bräuchte es laut Breitschopf eigentlich 80 Studienanfänger pro Jahr, damit es langfristig genug Musikpädagoginnen und -pädagogen gibt. In der Praxis gibt es an der Wiener Musikuni, der seit 2016 einzigen Musiklehrer-Ausbildungseinrichtung in Wien und Niederösterreich, allerdings nur 45 Plätze.
Dazu kommt laut Breitschopf, dass wegen der vielfältigen Berufsbilder für Musikpädagogen gerade einmal die Hälfte der Absolventen nach dem Abschluss langfristig im Schuldienst arbeiten. "Mit diesen Leuten muss die ganze Sekundarstufe - alle Mittelschulen, alle AHS - in Wien und Niederösterreich befüllt werden. Man kann sich sicher vorstellen, dass das mit 20 AbsolventInnen pro Jahr nicht funktioniert."
Prekäre Situation an den Mittelschulen
Besonders prekär ist die Situation laut Breitschopf an den Mittelschulen: Nur wenige der auf hohem musikalischem Niveau ausgebildeten Absolventinnen und Absolventen wollen an diese Standorte, die oft schlechter ausgestattet sind und wo Musik eine geringere Wertigkeit hat als an AHS. Das Fach werde dort deshalb komplett von Lehrern ohne entsprechende Ausbildung unterrichtet. "Das ist ein ganz massives Problem, wir bekommen dann Kohorten von musikalischen Analphabeten in der Mittelschule heraus - und das ist nicht im Sinne der musikalischen Bildung, des Kunst- und Kulturlandes Österreich noch im Sinne der gesellschaftlich wichtigen Sozial- und der Gemütsbildung von Jugendlichen."
Schon über Jahre hinweg seien zu wenige Musiklehrer ausgebildet worden, das habe ein Loch in die Personaldecke gerissen. Wegen des schlechten Images des Lehrberufs würden zudem immer weniger ausgebildete Musiklehrer an der Schule unterrichten. Und von denen, die an die Schule gehen, unterrichte wiederum wegen des vielfältigen Berufsbildes ein guter Teil nur mit einer halben Lehrverpflichtung oder weniger.
Als Lösung für die bestehenden Engpässe bräuchte es laut Breitschopf in der Region Nord-Ost doppelt so viele Studienplätze an der Wiener Musikuni oder eine weitere Ausbildungsstätte an einer PH in Kooperation mit der Musikuni. Zusätzlich ist laut Breitschopf aber auch die Qualität der Ausbildung unter Druck, weil immer mehr Studierende schon nach dem vierjährigen Bachelorabschluss unterrichten und immer weniger den zweijährigen Master studieren bzw. abschließen. Nach Plänen der Regierung soll der Bachelor ab 2026/27 nur noch drei Jahre dauern - ein Plan, den man im Musikrat kritisch sieht. Ein musikpädagogisches Studium, bei dem es auch um eine künstlerische Ausbildung gehe, "kann man nicht im Schnellsiedekurs absolvieren", betont Breitschopf.
Musikbildung in Österreich als Baustelle
Zu den Personalproblemen kommt für den Musikrat im Schulbereich noch eine weitere Baustelle: ÖMR-Vizepräsident Harald Huber kritisiert im APA-Gespräch einen kontinuierlichen Abbau der Strukturen für die Musikbildung in Österreich. Im Bildungsministerium gebe es seit zehn Jahren keine eigene Ansprechperson mehr für musikalische Bildung, auch der ständige Arbeitskreis mit dem Ministerium sei abgeschafft worden und seit der Umstellung der Schulverwaltung von den Landesschulräten auf die Bildungsdirektionen 2019 gehen nach und nach auch die Fachinspektoren für den Musikunterricht verloren, weil sie nicht mehr nachbesetzt werden. Diese spielen laut Huber allerdings eine wichtige Rolle bei Musikprojekten und der Zusammenarbeit mit den Musikschulen, in einer Petition hatten sich Kultur- und Bildungsinstitutionen von den Musik-Unis über die Staatsoper bis zu den Salzburger Festspielen für deren Beibehaltung eingesetzt.
"Das Musikland Österreich desavouiert sich im schulischen Bereich ständig selbst. Stattdessen sollten die Möglichkeiten der Musik in Hinblick auf kulturelle Teilhabe, Kreativität, soziales Lernen, Integration und Inklusion, Persönlichkeitsentwicklung und Friedenspolitik in höchstem Maß wertgeschätzt und gefördert werden." Das würde auch Programmen der EU und der UNESCO entsprechen, so Huber.
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