Lehrerausbildung 10 Jahre nach Start "Adlerküken" mit Aufzuchtbedarf

25. November 2019 - 10:59

Am 26. Jänner 2009 fiel der Startschuss für eine umfassende Reform der Lehrerausbildung in Österreich. Abgeschlossen ist sie auch zehn Jahre danach noch nicht, so der Tenor im Sammelband "PädagogInnenbildung". Elmar Pichl, Sektionschef im Bildungsressort, schreibt von einem "Adlerküken" mit Aufzuchtbedarf.

Ziel war eine qualitativ hochwertige Ausbildung für alle Lehrer
Ziel war eine qualitativ hochwertige Ausbildung für alle Lehrer

Neben Pichl, laut Eigendefinition "einer der größten Fans" der Reform der Lehrerausbildung, versammelt der Band Beiträge von 47 weiteren Akteuren. Darunter sind acht mit der Reform befasste Ministerinnen und Minister, Experten der Universitäten und Pädagogischen Hochschulen (PH) und - als vorwiegend skeptische Stimme - die Lehrergewerkschaft.

Der Band ist gleichzeitig Festschrift anlässlich des 60. Geburtstags von Andreas Schnider als "Spiritus Rector" der Reform. Immerhin war der Religionspädagoge und Ex-ÖVP-Bundesrat als Vorsitzender von Vorbereitungsgruppe, Entwicklungsrat und Qualitätssicherungsrat im steten Wechsel von Regierungen eine Konstante und für viele "Gesicht" und "Herz" der Reform, schreiben die Herausgeberinnen Maria-Luise Braunsteiner und Christiane Spiel, die gleichzeitig Schniders Stellvertreterinnen im Qualitätssicherungsrat sind.

Umstrukturierung brachte Aufnahmeverfahren und verpflichtendes Masterstudium

Mit der "LehrerInnenausbildung Neu" wurde die Ausbildung drastisch umstrukturiert und teils deutlich verlängert: Jeder, der Lehrer werden will, muss nun ein Aufnahmeverfahren durchlaufen. Pädagogen werden nicht mehr für Schultypen, sondern Altersgruppen (Primarstufe bzw. sechs bis zehn Jahre, Sekundarstufe bzw. elf bis 19) ausgebildet. Sie müssen nach dem vierjährigen Bachelor verpflichtend ein Masterstudium abschließen, die Ausbildung für Lehrer an Volks- oder Neuen Mittelschulen dauert mit sechs Jahren fast doppelt so lange wie früher.

In der Sekundarstufe (v.a. NMS, AHS, BMHS) müssen Unis und PH die angehenden Lehrer nun in Verbünden gemeinsam miteinander statt einzeln und nach Schularten getrennt ausbilden. Eine separate Sonderschullehrer-Ausbildung ist Vergangenheit, stattdessen können sich Lehrer aller Altersklassen auf Inklusion spezialisieren.

Nur das Beste für die Schüler

Das Ziel: Nur noch die Besten sollen den Beruf ergreifen und Lehrer aller Altersgruppen eine gleichwertige, qualitativ hochwertige Ausbildung bekommen. Mit der Umsetzung wurde schließlich im Volksschulbereich 2015/16 und in der Sekundarstufe flächendeckend 2016/17 begonnen. Für Pichl sollte die Reform - bei allem weiteren Handlungsbedarf - "einer der (wenigen) nachhaltigen Reformerfolge der großen Koalition" werden.

Um Unis und PH von dem Projekt zu überzeugen, mussten diese allerdings wegen beidseitig vorhandener Vorurteile und Ressentiments ausdauernd umgarnt werden, wie in mehreren Beiträgen geschildert wird. Immerhin mussten zwei höchst unterschiedlichen Kulturen - hier autonome Unis, da nachgelagerte Dienststellen des Bildungsministeriums - unter einen Hut gebracht werden. Dazu gab es einen umfassenden Beteiligungsprozess und zusätzliches Geld für den Aufbau der Verbünde.

Bei alldem sei es allerdings nie gelungen, "die Profession" für die Reform zu motivieren, bemängelt Roland Fischer, einst Mitglied von Vorbereitungsgruppe und Entwicklungsrat, in seinem Beitrag. Tatsächlich ortet Eckehard Quin, der bei der Einführung der neuen Lehrerausbildung oberster AHS-Lehrervertreter war, "in der Praxis viele Probleme": Die Verlängerung des Bachelors von drei auf vier Jahre im Pflichtschulbereich verursache am Höhepunkt der Pensionierungswelle "gehörige Personalprobleme", durch die gemeinsame Ausbildung der Lehrer für AHS/BMHS und NMS werde man zudem schwerer Personal für "Brennpunktschulen" finden. Quin fordert die Kürzung des neuen Lehramtsstudiums um zwei Semester (auf die Dauer der früheren AHS-/BMHS-Lehrerausbildung). Das dadurch eingesparte Geld soll für eine bessere Berufseinführung genutzt werden, die aktuelle Induktionsphase sei nämlich "eine Farce".

Service: Maria-Luise Braunsteiner, Christiane Spiel (Hg.): "PädagogInnenbildung. Festschrift für Andreas Schnider", Be&Be-Verlag, Heiligenkreuz 2019, 529 Seiten, 29,90 Euro. Präsentation bei der Veranstaltung "10 Jahre PädagogInnenbildung NEU in Österreich: Status quo - Quo vadis?" der Industriellenvereinigung am 25. November, 18 Uhr, im Haus der Industrie, Schwarzenbergplatz 4, 1031 Wien

(APA/red, Foto: APA/APA (DPA))

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