Kurt Kotrschal wird 65 - und tritt "seelenruhig" in Ruhestand

4. Mai 2018 - 12:06

Nur wenigen Wissenschaftern gelingt es, Forschung auf hohem internationalem Niveau zu betreiben und diese auch publikumswirksam und attraktiv zu präsentieren. Der Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal ist eine dieser Ausnahmeerscheinungen. Am 5. Mai feiert er seinen Geburtstag und wird mit Anfang Oktober "vollkommen seelenruhig" in den Ruhestand treten, wie er im Gespräch mit der APA erklärte.

Verhaltensbiologe sieht die Zukunft "seiner" Institutionen gesichert
Verhaltensbiologe sieht die Zukunft "seiner" Institutionen gesichert

Hauptgrund für seine Seelenruhe ist die Tatsache, dass "die Zukunft von allen Institutionen, wo ich meine Finger im Spiel hatte, gesichert ist", sagte Kotrschal. Er hat mit der Konrad Lorenz Forschungsstelle (KLF) in Grünau im Almtal (OÖ) und dem Wolfsforschungszentrum (Wolf Science Center, WSC) in Ernstbrunn (NÖ) zwei attraktive und erfolgreiche verhaltensbiologische Einrichtungen aus- bzw. aufgebaut.

Die KLF - über Jahrzehnte eine halbprivate, von einem Förderverein unterstützte Einrichtung - ist seit 2012 eine "Core Facility" der Universität Wien, seine Nachfolge für die KLF-Leitung werde derzeit gerade verhandelt. Und das von ihm gemeinsam mit Friederike Range und Zsofia Viranyi vor genau zehn Jahren gegründete Wolfsforschungszentrum Ernstbrunn ist seit dem Vorjahr Teil der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

Trotz Ruhestand werde sich "nicht viel ändern", sagte Kotrschal, der besonders im Bereich Hund-Wolf "weiterhin wissenschaftlich tätig sein und in Zukunft auch ein bisschen lauter bezüglich Wolf im Freiland werden will". Die Faszination seines Hauptforschungsobjekts, dem Wolf, ist dem Wissenschafter bei der Popularisierung seiner Arbeit sicher zugutegekommen.

Buch über Natur des Menschen

Der Wolf ist für Kotrschal ein "Spiegel für unsere eigene Verfasstheit". Wenn man über die "Conditio Humana besser Bescheid wissen will, arbeitet man besser mit dem Wolf als mit manchem Affen", meinte er, als ihn der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten zum "Wissenschafter des Jahres 2010" gekürt hat. Der Natur des Menschen widmet er auch sein nächstes Buch, an dem er derzeit arbeitet.

"Es ist wirklich Zeit, dass man die Dinge über das biologisch fundierte neue Bild vom Menschen zusammenfasst und einen biologischen Spiegel errichtet, wer wir eigentlich sind", so der Biologe. Das Buch basiere im wesentlichen auf den Inhalten des "Biologicum Almtal" in den vergangenen vier Jahren, eine von Kotrschal gegründete jährliche Veranstaltungsreihe, die sich zentralen Themen der modernen Biologie widmet.

Der am 5. Mai 1953 in Linz geborene Kotrschal hat an der Uni Salzburg Biologie studiert - "weil nichts anderes in Frage kam", wie er unter Hinweis auf sein Interesse an dem Fach betont. Dabei standen am Beginn seiner Karriere noch wenig attraktiv erscheinende Themen im Mittelpunkt: Seine Diplomarbeit (1979) schrieb er über Kälte-Fixierung für die Mikroskopie, seine Doktorarbeit (1981) über die Gehirnstruktur einer Schleimfischart.

Nach Abschluss seines Studiums arbeitete Kotrschal - unterbrochen von US-Aufenthalten - als Vertragsassistent am Institut für Zoologie der Uni Salzburg und habilitierte sich dort 1987. Zwei Jahre später ging er mit einem Schrödinger-Stipendium an die University Colorado (USA). Dort ereilte ihn der Anruf aus der Heimat, ob er nach dem Tod von Konrad Lorenz (1989) nicht die Leitung von dessen Forschungsstelle in Grünau im Almtal übernehmen wolle. Verbunden damit war eine Professur an der Uni Wien.

Neubau für die Konrad Lorenz Forschungsstelle

Der Ethologe sagte zu und leitet seit mittlerweile fast 30 Jahren diese Einrichtung, die er einmal als "wissenschaftliches Pfadfinderlager" bezeichnet hat und als "Feldstation, wo nicht immer alles perfekt ist und alle improvisationsfreudig sein müssen". Doch bald ist es aus mit der Lagerromantik, noch heuer soll ein Neubau für die Konrad Lorenz Forschungsstelle eröffnet werden.

Kotrschal und sein Team konnten mit ihrer Arbeit immer viel wissenschaftliche und öffentliche Aufmerksamkeit erregen - etwa mit dem spektakulären Flug- und Zugrouten-Unterricht für Waldrappe samt Alpenüberquerung, angeführt von menschlichen Zieheltern im Ultraleicht-Flugzeug. Nicht nur mit diesem Projekt schafften es die Verhaltensforscher um Kotrschal in die TV-Primetime, auch der Aufbau des "Wolf Science Center" in Ernstbrunn wurde für das Fernsehen dokumentiert.

Aus der Not öffentlicher Mittel hat Kotrschal eine Tugend gemacht und in den vergangenen Jahren Millionen Euro an Drittmitteln eingeworben. Auch das Wolfsforschungszentrum haben Kotrschal, Range und Viranyi 2008 "ohne einen Euro angefangen", lange vorwiegend durch Sponsoren und Spenden finanziert und sind dabei selbst vor persönlicher Verschuldung nicht zurück geschreckt.

"Den Stammbaum nach oben gearbeitet"

Von Fischen über Graugänse und Raben hat sich Kotrschal in den vergangenen Jahren "den Stammbaum nach oben gearbeitet", wie er selbst sagt, und ist nun bei den Wölfen gelandet - "weil Wölfe und Menschen ganz ähnlich organisiert sind". Wie Wölfe würden auch Menschen "sehr nett innerhalb des Clans kooperieren, sind aber sehr hart und grauslich nach außen".

Angetrieben wird Kotrschal von der wissenschaftlichen Neugier, für Hobbys bleibt da keine Zeit. Dafür nimmt er die Popularisierung seiner wissenschaftlichen Arbeit ernst. Das hat er in den vergangenen Jahren etwa mit seinen Büchern über die Geschichte der jahrtausendealten Beziehung zwischen Mensch und Wolf bzw. zwischen Mensch und Hund - das Buch "Wolf - Hund - Mensch" wurde als eines der besten Wissenschaftsbücher 2013 ausgezeichnet - oder die Seelenverwandtschaft zwischen Hund und Mensch und auch mit seinem Einsatz für die Akzeptanz der Rückkehr der Wölfe gezeigt.

Kotrschal verstehe es in hervorragender Weise, wissenschaftliche Gegebenheiten leicht verständlich zu vermitteln, begründete etwa 2017 der Naturschutzbund die Verleihung des Österreichischen Naturschutzpreises an den Verhaltensbiologen. Dabei wurde er vor allem aber auch für seine Zivilcourage geehrt, "mit seinem Mut, die Dinge beim Namen zu nennen, ist er ein unverzichtbarer Repräsentant und Kämpfer für die Belange des Naturschutzes".

Service: Konrad Lorenz Forschungsstelle: http://www.klf.ac.at/; Wolfsforschungszentrum Ernstbrunn: http://www.wolfscience.at/

(APA/red, Foto: APA/APA (Neubauer))

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