Künstlich gezeugte Kinder könnten häufiger an Bluthochdruck leiden

4. September 2018 - 8:41

Künstliche Befruchtung ist für manche Eltern der einzige Weg zum eigenen Kind. Die Prozedur könnte jedoch nicht ohne Folgen für das Kind bleiben. Eine Studie des Inselspitals Bern in der Schweiz deutet darauf hin, dass sie das Risiko für späteren Bluthochdruck erhöht. Jedoch sind weitere Untersuchungen nötig.

1978 kam das erste "Retortenbaby" auf die Welt
1978 kam das erste "Retortenbaby" auf die Welt

1978 kam mit Louise Brown das erste "Retortenbaby" auf die Welt. Künstliche Befruchtung ebnete Eltern mit unerfülltem Kinderwunsch den Weg zum eigenen Kind. Tierversuche und vereinzelte Untersuchungen beim Menschen deuten jedoch darauf hin, dass sich die Prozedur auf spätere Gesundheitsrisiken des Kindes auswirken könnte. Über die langfristige Entwicklung dieser Risiken ist jedoch wenig bekannt.

Forscher des Inselspitals Bern zeigen nun mit einer Studie, dass nach künstlicher Befruchtung geborene Kinder als Teenager ein höheres Risiko für Bluthochdruck haben könnten. Emrush Rexhaj und sein Team vom Inselspital untersuchten 54 gesunde Jugendliche im Alter von durchschnittlich 16 Jahren, die durch In-Vitro-Fertilisation (IVF) gezeugt worden waren. Zum Vergleich untersuchten sie außerdem eine Kontrollgruppe von 43 natürlich gezeugten Altersgenossen.

Auswirkungen auf Schlaganfallrisiko

Wie die Wissenschafter im Fachblatt "Journal of the American College of Cardiology" berichten, wies die IVF-Gruppe durchschnittlich einen höheren Blutdruck auf als die Kontrollgruppe, nämlich 119/71 mmHg im Vergleich zu 115/69 mmHg. Der Unterschied scheint gering, jedoch wirken sich bereits solch kleine Unterschiede auf das Risiko für Schlaganfälle und Herzerkrankungen aus.

Auffällig war außerdem die Beobachtung der Forscher, dass sie bei acht der Jugendlichen aus der IVF-Gruppe Bluthochdruck (über 130/80 mmHg) feststellten, aber nur bei einem der Teilnehmenden in der Kontrollgruppe. Besonders diese erhöhte Prävalenz für Bluthochdruck in den IVF-Teilnehmenden sei besorgniserregend, kommentierte Rexhaj gemäß einer Mitteilung des Fachjournals.

Einige Jahre zuvor hatte er mit seinem Team weitgehend die gleiche Gruppe Kinder bereits im Alter von durchschnittlich elf Jahren untersucht und mit natürlich gezeugten Altersgenossen verglichen. Bereits damals stellten die Wissenschafter Anzeichen für frühzeitige Gefässalterung beim IVF-Nachwuchs fest, allerdings noch keine Unterschiede beim Blutdruck. Diese hätten nur fünf Jahre gebraucht, zum Vorschein zu kommen, betonte Raxhaj.

Studie mit Vorsicht betrachten

Da es sich um eine Studie mit relativ wenigen Teilnehmenden handelt, die zudem alle einem einzigen Kinderwunschzentrum entstammten, seien die Ergebnisse mit Vorsicht zu betrachten, deutet das Fachjournal an.

Allerdings könnte die Studie das Problem sogar unterschätzen, schreibt Larry Weinrauch vom Mount Auburn Hospital in Cambridge, USA, in einem Begleitartikel: Dies weil Mehrlingsgeburten und Kinder, die zu früh, mit geringem Geburtsgewicht oder nach einer Schwangerschaftsvergiftung der Mutter auf die Welt kamen, von der IVF-Gruppe ausgenommen wurden.

IVF-Therapie als Ursache interpretiert

Bereits in der früheren Studie schlossen die Wissenschafter um Raxhaj aus, dass die Hormonstimulation der künftigen Mutter oder die Sterilität der Eltern Ursache für die veränderten Blutgefäße der Kinder sein könnten. Auch in der aktuellen Studie interpretieren sie ihre Daten so, dass die In-Vitro-Fertilisation-Therapie als solche ursächlich sein müsse.

Darunter fällt die Fertilisationsmethode selbst, das Einfrieren überzähliger Embryos, sowie das Kultivieren in einer Nährlösung im Brutschrank. Insbesondere letzteres steht im Verdacht, einen Einfluss auf die Organentwicklung zu haben.

Michael von Wolff, der am Inselspital Bern die Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin leitet, ist jedoch nicht überzeugt, dass die Hormonstimulation keinen Einfluss hat, wie er in einem Kommentar zur Studie darlegt.

Die Hormonstimulation ließe sich bei der IVF-Prozedur auch vermeiden, wodurch auch weniger Embryos entstehen würden. Das Einfrieren würde daher wegfallen und auch die Kultivierung im Brutschrank ließe sich verkürzen.

Kultivierungsbedingungen bei neuerer Therapie verbessert

"Ob diese Maßnahmen wirklich die Risiken vermindern können, ist noch unklar", räumt von Wolff ein. Zudem deuteten frühere Studien darauf hin, dass Kinder, die im Jahr 2000 und später durch IVF auf die Welt kamen, eine geringere Erhöhung des Blutdrucks aufweisen.

Grund dafür könnte sein, dass die Kultivierungsbedingungen der Embryos verbessert wurden. Rexhaj und sein Team wollen nun die Auswirkungen der IVF-Technik auf das Herz-Kreislaufsystem weiter erforschen.

Eine Konsequenz aus den Studienergebnissen sei jedoch, dass man durch IVF-gezeugte Kinder und Jugendliche frühzeitig auf Veränderungen ihres Herz-Kreislaufsystems hin untersuchen und gegebenenfalls präventive Maßnahmen ergreifen sollte, so Weinrauch in seinem Begleitartikel.

(APA/red, Foto: APA/APA/AFP)

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