Kühl-nasses Wetter und Massenevents treiben Covid-Verbreitung an

17. August 2021 - 7:59

Fallen im Herbst die Temperaturen, rückt er wieder in den Vordergrund - der ominöse saisonale Effekt auf die Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus. Forscher zeigen nun in Modellrechnungen, die auf Fallzahlen auf Bezirksebene in Österreich basieren, dass vor allem die Veränderung zu ungünstigerem Wetter und das Abhalten von Großveranstaltungen deutlich höhere Zahlen mit sich bringt.

Simulationsforscher Niki Popper
Simulationsforscher Niki Popper

Ausgeprägte Zusammenhänge zwischen der Verbreitung von Coronaviren in der Bevölkerung und niedrigeren Temperaturen sind vielfach bekannt. In Europa geht man davon aus, dass sich das Virus in der kalten Jahreszeit um rund 40 Prozent leichter übertragen lässt. Internationale Studien zeigten bisher in Bezug auf SARS-CoV-2 unterschiedliche Effekte abhängig von Temperatur, Niederschlag, Bewölkung, Luftfeuchtigkeit oder Wind, schreiben die Wissenschafter um Peter Klimek vom Complexity Science Hub Vienna (CSH) und der Medizinischen Universität Wien, den Simulationsforscher Niki Popper oder der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG).

Zeit vor und nach Hochinzidenzperioden besser verstehen

Das Team setzte die Infektionsdaten pro Bezirk in seinem neuen Modell auch in Verbindung mit Eindämmungsmaßnahmen in Schulen, Gastronomie, im Gesundheitsbereich und bei Veranstaltungen sowie zur Mobilität. Ziel war es, die Zeit vor und nach Hochinzidenzperioden, wie im Herbst des Vorjahres besser zu verstehen, wie Klimek im Gespräch mit der APA erklärte. In ihrer auf dem Preprint-Server "arXiv" veröffentlichten, noch nicht von Fachkollegen überprüften Arbeit auf Basis der Infektionen hierzulande zwischen dem 1. Juli 2020 und dem 15. Mai 2021, zeigte sich, dass bei einer deutlichen Zunahme der Temperatur um 2,4 Grad Celsius die Übertragungsrate um durchschnittlich 6,9 Prozent sinkt. Noch stärker war aber der Effekt bei steigender Luftfeuchtigkeit mit einem Minus von 17,1 Prozent. Das passe ins Bild, da höhere Sonneneinstrahlung zur Inaktivierung des Virus beiträgt und höhere Luftfeuchtigkeit die Aerosole schneller absinken lässt, sagte Klimek.

Steigen die Niederschlagsmengen im Bezirksvergleich im Schnitt um 0,21 Millimeter pro Stunde ergab sich in den Simulationen des Teams um Erstautorin Katharina Ledebur von der Meduni Wien und dem CSH ein Plus von 19 Prozent. War es bewölkter, gingen die Infektionszahlen ebenso hinauf (plus 15,5 Prozent). Das hängt auch damit zusammen, dass man sich bei Regenwetter eher in geschlossen Räumen trifft, wo eine Ansteckung wahrscheinlicher ist. Stärkerer Wind ging im Schnitt mit leichten Anstiegen einher. War der Aktionsradius der Menschen höher, ergab sich eine um 7,7 Prozent höhere Übertragungsrate. Man sehe insgesamt, "wie das Zusammenspiel von Verhaltensänderungen und physikalischen Änderungen die Virusübertragung moduliert", betonte der Forscher.

Die im Gegensatz zu kompletten, flächendeckenden Schließung von Schulen laut Klimek "sehr soften" Eindämmungsmaßnahmen im Bildungsbereich hierzulande (das Tragen von Masken abseits des Platzes, das Verbot des Singens in Räumen und des Sportunterrichts) reduzierten laut der Analyse das Übertragungsgeschehen in der Altersgruppe unter 20 Jahren um knapp acht Prozent. Relativ stark wirkten sich mildere Restriktionen in der Gastronomie, wie die Registrierungspflicht, verkürzte Öffnungszeiten oder reduzierte Besucherzahlen aus (minus 18 Prozent). Noch stärkere Auswirkungen hatten Maßnahmen im Gesundheitsbereich, wie Besuchsverbote oder das verpflichtende Tragen von FFP2-Masken (minus 20,6 Prozent). Das unterstreiche wiederum, wie wichtig der Schutz letzterer Einrichtungen im Kampf gegen Covid-19 ist, bekräftigten die Autoren.

Superspreading-Events spielen große Rolle

Am deutlichsten war jedoch der Effekt beim Blick auf Veranstaltungen - vor allem bei größeren Events ohne fixe Plätze im Indoorbereich: Die Einschränkungen bzw. das Verbot ähnlicher Veranstaltungen bewirken demnach eine Übertragungsreduktion um ganze 37,5 Prozent, was deutlich über früheren Schätzungen von rund 25 Prozent liege. Das dürfte darin begründet sein, dass Superspreading-Events vor allem bei zuerst niedrigen Zahlen und dann starken regionalen Anstiegen eine besonders große Rolle spielen.

Gibt es also in Gegenden keine Einschränkungen im Veranstaltungsbereich und es stellen sich gleichzeitig deutlich in Richtung winterliche Bedingungen gehende Witterungsbedingungen ein, zeigt das Modell der Wissenschafter stark auseinandergehende Infektionsszenarien. Demnach wäre dort mit mehr als doppelt so hohen Infektionsraten zu rechnen als in Regionen mit günstigerem Wetter und Beschränkungen bei Events.

Service: https://arxiv.org/abs/2108.06169

(APA/red, Foto: APA/APA/GEORG HOCHMUTH)

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