Kokon schützt Ameisen-Puppen vor aggressivem Desinfektionsmittel

11. Oktober 2018 - 10:05

Ein Seidenkokon schützt Ameisen-Puppen vor dem Desinfektionsmittel, mit dem Arbeiterinnen das Nest reinigen. Das zeigten Forscher des Institute of Science and Technology (IST) Austria bei der Ameisenart "Lasius neglectus". Wie sie im Fachjournal "Current Biology" berichten, ist dies das erste Beispiel auf Kolonieebene für eine Immunpathologie wie man sie auch vom menschlichen Immunsystem kennt.

Ameisen reinigen neubezogenes Nest mit Gift-Cocktail
Ameisen reinigen neubezogenes Nest mit Gift-Cocktail

Ameisen produzieren in speziellen Drüsen einen Gift-Cocktail, der vorwiegend aus Ameisensäure besteht. Lange nahm man an, dass die Tiere damit nur andere Ameisen und mögliche Raubtiere abwehren. Doch Sylvia Cremer vom IST Austria zeigte in zwei Studien 2013 und heuer, dass Ameisen die saure Flüssigkeit verwenden, um Nestgenossen zu desinfizieren, die mit Krankheitserregern kontaminiert und infiziert sind.

Gemeinsam mit ihrem Doktoratsstudenten Christopher Pull zeigte Cremer nun eine weitere Anwendung der Ameisensäure: Arbeiterinnen reinigten damit prophylaktisch ein neubezogenes Nest. Dass die Tiere die aggressive Säure in ihrem Nest versprühen, stellte die Forscher aber vor eine Frage: Während erwachsene Ameisen durch ein dickes Außenskelett (Cuticula) vor dem Desinfektionsmittel geschützt sind, ebenso die Eier von einer harten Hülle (Chorion), ist die Cuticula der Puppen dünn und durchlässig.

Puppen der Ameisenart "Lasius neglectus" hüllen sich allerdings in einen Seidenkokon - und die Wissenschafter konnten in einer Reihe von Experimenten zeigen, dass dieser vor der Ameisensäure schützt. Zunächst entfernten die Forscher den schützenden Seidenkokon von manchen Puppen. Doch auch ohne Schutzhülle überlebten die Puppen genau so gut wie jene, die in einen Kokon gehüllt waren. Waren dagegen Arbeiterinnen anwesend, starben mehr nackte als eingehüllte Puppen.

Wie Gummihandschuhe beim Putzen

Ob diese erhöhte Sterblichkeit auf die Ameisensäure zurückzuführen ist, testeten die Forscher, indem sie die Giftdrüsen der Arbeiterinnen mit Klebstoff verschlossen. In einem Nest mit solchen Arbeiterinnen, die keine Ameisensäure mehr versprühen konnten, hatten nackte und eingehüllte Puppen dieselbe Überlebenschance. "Es ist also die Ameisensäure, die nackte Puppen umbringt, und vor der Puppen im Kokon geschützt sind", so Cremer in einer Aussendung des IST. Sie vergleicht das mit den Gummihandschuhen, mit denen sich Menschen beim Putzen vor aggressiven Mitteln schützen.

Cremer und ihr Team haben bereits in den vergangenen Jahren gezeigt, dass die untersuchte Ameisenart ein "soziales Immunsystem" aufbaut, indem mit Pilzsporen befallene Tiere von den anderen intensiv geputzt werden. Sie betreiben auch "destruktive Desinfektion", indem sie Puppen, die von Pilzen befallen sind, mittels Ameisensäure töten. In dieser Vorgangsweise sehen die Forscher erstaunliche Parallelen zum Immunsystem von Wirbeltieren, wo Immunzellen gegen mit einem Krankheitserreger infizierte Zellen vorgehen.

Immunpathologie auf Kolonieebene

Auch die aktuellen Studienergebnisse vergleichen die Wissenschafter mit einem auch vom menschlichen Immunsystem bekannten Phänomen, der Immunpathologie: Bekämpft das Immunsystem Erreger mit giftigen Substanzen, muss es gleichzeitig Schäden für eigene Körperzellen möglichst gering halten. Dieser Spagat gelingt den Ameisen auf Kolonieebene.

Die Wissenschafter hoffen in einem weiteren Schritt zu klären, warum manche Ameisenarten den die Puppen schützenden Kokon verloren haben. So wollen sie klären, ob die Arten ohne Kokon ihre Nester mit weniger aggressiven Chemikalien reinigen.

Service: http://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2018.08.063

(APA/red, Foto: APA/Christopher Pull)

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