Innere Struktur verrät "Familiengeheimnisse" mariner Baumeister

12. Februar 2020 - 20:05

In Ozeanen spielen kalkige Rotalgen eine wichtige Rolle. Ihr Kalkskelett sorgt dafür, dass Korallenriffe stabil bleiben, in der Arktis bieten sie Lebensraum für andere Organismen. Forscher suchen nach Wegen, sie richtig zu klassifizieren, um an den jeweiligen Gruppen zu ermessen, wie sich verändernde Umweltbedingungen auf diese marinen "Baumeistern" auswirken.

Zellwand mit sehr spezifischem Typ von Nannokristallen aus Kalzit
Zellwand mit sehr spezifischem Typ von Nannokristallen aus Kalzit

"Wer Ökosysteme im Wandel und deren Auswirkungen untersuchen will, muss die Vielfalt der darin vorkommenden Organismen unterscheiden und richtig klassifizieren können", betonte Werner E. Piller vom Institut für Erdwissenschaften der Uni Graz im APA-Gespräch. Der Wissenschaftszweig der Taxonomie versucht seit Jahrhunderten diese Vielfalt zu erkennen und zu ordnen. Piller und seinem Kollegen Gerald Auer ist es nun gelungen, die Verwandtschaftsbedingungen von kalkigen Rotalgen anhand von Nanostrukturen in ihrem Zellinneren zu bestimmen. Laut Piller würden sich damit - jenseits von molekularbiologischen Verfahren - neue Möglichkeiten zur Erforschung der Zusammenhänge zwischen Evolution und genetischer und morphologischer Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen eröffnen. Die Ergebnisse wurden in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsjournals "Science Advances" veröffentlicht.

Die Morphologie - also die Struktur und Form - war lange Zeit das wichtigste Mittel bei der Bestimmung der verschiedenen Arten. Auch über die Analyse molekularer Sequenzen können Artgrenzen ausgelotet und Stammbäume erstellt werden. Bisher stimmte aber bei den kalkigen Rotalgen die Klassifizierung nach äußerlichen Merkmalsausprägungen nicht immer mit den Befunden der molekularbiologischen Verfahren überein, erklärte Piller die bisherige Problematik.

Morphologische Merkmale in Nanometer-Größe gefunden

Das ist wohl auch ein Grund dafür, dass diesen Meeresorganismen trotz ihrer weitreichenden Bedeutung für marine Ökosysteme wenig Beachtung geschenkt wurde, vermutet der Grazer Erdwissenschafter. Piller und Auer haben nun jedoch dieses Problem überwunden, in dem sie einen neuen Weg gegangen sind und mit dem Rasterelektronenmikroskop tief ins Innerste der Kalkskelette der krustenbildenden Mehrzeller blickten. "Die kalkigen Rotalgen verkalken ihre Zellwände, indem Nanokristalle ausgefällt werden. Diese Nanokristalle haben wir unter die Lupe genommen", schilderte Piller den neuen Ansatz.

Bei der Analyse der Ergebnisse von Hunderten Rotalgenproben haben die Grazer Forscher tatsächlich morphologische Merkmale in Nanometer-Größe (ein Nanometer entspricht einem Millionstel Millimeter) gefunden. Die vielfältigen Kristallstrukturen haben sie erstmals beschrieben, klassifiziert und damit einen entsprechenden Stammbaum erstellt. "Unsere Ergebnisse sind deckungsgleich mit den molekularbiologischen Ergebnissen", hielt Piller fest. "Unsere Methodik erlaubt es, die morphologischen und DNA-basierten Stammbäume dieser wichtigen Organismengruppe zu vereinen", erklärte Piller den erzielten Fortschritt.

Mit dem neuen Lösungsansatz werde es laut Piller leichter möglich, Antworten darauf zu bekommen, wie sich in den Genen gespeicherte Informationen der konkret im Erscheinungsbild der Organismen ausprägen, und inwieweit das mit Umweltveränderungen zusammenhängt. Aus der Sicht des Grazer Wissenschafters zeige die nanokristallgestützte Taxonomie auch großes Potenzial für die morphologische Artbeschreibung in vielen weiteren Organismengruppen.

Service: G. Auer, W. Piller.: Nanocrystals as phenotypic expression of genotypes - An example in coralline red algae, Science Advances 6, eaay2126, Februar 2020.

(APA/red, Foto: APA/Uni Graz)

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