Implantat auf Knopfdruck: 3D-Druck-Labor an Med-Uni Graz eröffnet

8. Oktober 2019 - 14:41

Maßgeschneiderte Implantate auf Knopfdruck - an der Klinik selbst produziert: Diese visionäre Idee verfolgen Spitalsärzte, Forscher, Maschinenbauer und Industriepartner am Grazer Uniklinikum. Erster Schritt dazu ist das 3D-Druck-Labor, das kürzlich vorgestellt und eröffnet wurde. Unter anderem will man maßgeschneiderte Knochen, wie etwa Rippenknochen, mittels 3D-Druck herstellen.

Projektleiterin Ute Schäfer vor einem 3D-Drucker
Projektleiterin Ute Schäfer vor einem 3D-Drucker

In industriellen Produktionsprozessen werden heute schon exakte Bauteile aus zuvor digital konstruierte Modelle hergestellt. Nun gewinnen die dreidimensionalen Druckverfahren auch in der Medizin an Bedeutung. Nach schweren Unfällen oder großen Operationen müssen vielen Patienten beispielsweise beschädigte Knochen oder Knochenstücke neu eingesetzt werden. Die traditionelle Medizintechnik gerät dabei mitunter an ihre Grenzen, denn die Implantate werden - ähnlich wie Kleidungsstücke - in einer überschaubaren Zahl an Konfektionsgrößen angeboten. Eine exakte Vermessung der Fehlstellen und ein anschließender Ausdruck aus dem 3D-Printer noch im Zuge der Operation könnte individuell auf den Patienten zugeschnittene Lösungen bringen und Nachoperationen überflüssig machen.

Fertigungstechniken und Materialien sollen angepasst werden

"Wir wollen additive Fertigungstechniken und Materialien an die Humanmedizin anpassen und auch selbst entwickeln, damit personalisierte, passgenaue Implantate innerhalb kürzester Zeit direkt in der Klinik hergestellt und eingesetzt werden können", fasste die wissenschaftliche Projektleiterin Ute Schäfer gegenüber der APA zusammen. Dem neuen Grazer K-Projekt CAMed (Clinical Manufacturing for Medical Applications) stehen dafür in den kommenden vier Jahren rund 5,87 Millionen Euro zur Verfügung. Die Professorin und Leiterin der Experimentellen Neurotraumatologie an der Med-Uni Graz illustrierte das Vorhaben anhand eines Teilprojektes, das sich mit künstlichen Rippenknochen beschäftigt.

"Ersatzteile für Rippen werden bisher während der Operation aus einem Stück Metall zurechtgebogen und mit Schrauben am noch vorhandenen Knochen fixiert. Dazu müssen sie flexibel sein, sie sollen aber auch allen Belastungen des Brustkorbes standhalten", erklärte Schäfer. Bei hoher Belastung können sie sich bisweilen auch verbiegen oder im Extremfall ausreißen, verdeutlichte Schäfer die Problemlage. Die Vision der steirischen Forschergruppe ist es, aus Kunststoff oder Metalllegierungen ausdruckbaren Rippenersatz zu entwickeln, der optimal sitzt, flexibel genug ist, um dem individuellen Bewegungsprofilen des Patienten zu entsprechen und dadurch länger hält. "Wir haben bereits eine ganze Menge von unterschiedlichen Materialien, für die man unterschiedliche Drucker braucht. Und ich bin mir sicher, dass noch weitere neue Fragestellungen auf uns zukommen", zeigte sich Schäfer beflügelt.

Kooperation von Wissenschaft und Unternehmen

Fünf wissenschaftliche und mehr als ein Dutzend Unternehmenspartner aus dem In- und Ausland haben sich in Graz zusammengeschlossen, um die Entwicklung der Prozesskette für den 3D-Druck an der Klinik weiterzutreiben und für den Genehmigungsprozess und letztlich den Einsatz in der Klinik reif zu machen. Im Fokus stehen neben dem Rippenersatz aus Polymeren und unterschiedlichen Metalllegierungen auch kieferorthopädische Implantate zur Behandlung von Lippen-, Gaumen- und Kieferspalten aus Kunststoffen, die direkt in die defekte Stelle eingesetzt werden können. Für den Oberarm brauche man ebenfalls Platten, die anatomisch besser angepasst sind und den komplexen Drehkräften entgegenhalten können.

Kurz vor der ersten klinischen Studie steht ein patientenspezifischer, ausdruckbarer Knochenersatz für den Schädel-Gesichtsbereich. Bisher waren Patienten auf eine zweite Operation aufgrund der zeitlich verzögerten Herstellung des Implantats angewiesen.

Am Projekt am Grazer Uniklinikum, das in den kommenden Jahren in das erste klinische Druckzentrum Österreichs münden soll, sind u.a. Forscher der TU Graz, der Montanuniversität Leoben und der Forschungsgesellschaft Joanneum Research beteiligt. Das aktuelle Labor mit den ersten Kunststoff-Druckern (u.a. von der deutschen Apium Additive Manufacturing und dem steirischen Unternehmen Hage3D) befindet sich auf rund 80 Quadratmetern im neuen Chirurgie-Gebäude des Uniklinikums und ist somit "im Zentrum der Klinik" verankert, wie Schäfer betonte.

Service: https://www.medunigraz.at/camed/

(APA/red, Foto: APA/APA (Happe))

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