Im neuen Siemens-Hochgeschwindigkeits-Zug steckt Grazer Know-how

19. Juni 2018 - 14:59

Im neuen Hochgeschwindigkeitszug von Siemens - dem "Velaro Novo" - steckt österreichisches Know-how. Die Drehgestelle für das Vorzeigeprojekt des Technologiekonzerns kommen aus dem Kompetenzzentrum Graz - wie auch jene für den neuen Pendler-Regionalzug "Mireo", hieß es bei einem Lokalaugenschein in Krefeld in Nordrhein-Westfalen. Erstmals wird auch eine spezielle Scheibenbeschichtung aus Wien, die für eine bis zu 500-fach höhere Durchlässigkeit von Funkwellen sorgt, in einem Serienzug eingebaut.

Siemens Mobility-CEO Soussan vor dem neuen Hochgeschwindigkeitszug
Siemens Mobility-CEO Soussan vor dem neuen Hochgeschwindigkeitszug

"Wenn Siemens Fahrzeuge in Österreich baut, ist der Wertschöpfungsanteil - seien es etwa Klimaanlagen oder Bremsen - generell sehr hoch. Bei Reisezugwägen liegt er zum Teil bei über 70 Prozent", erläutert dazu Siemens Österreich-Sprecher Michael Braun. Werde ein Fahrzeug - wie in der Vergangenheit etwa der Railjet - in Simmering gebaut, kommen dafür rund 1.000 Zulieferbetriebe zum Einsatz. "Vor allem für Klein- und Mittelbetriebe sind wir ein wahrer regionaler Wirtschaftsmotor", betont er.

Fahrerassistenzsysteme sparen Energie

Der Mireo, der derzeit noch an keinen österreichischen Bahnbetreiber verkauft ist, dreht inzwischen noch seine Runden am Testgelände Wegberg-Wildenrath. Als Rhein-Ruhr-Express (RRX) sollen die ersten Züge Ende 2018 ihren Betrieb aufnehmen. Der dank Fahrerassistenzsystem und durchgängiger Leichtbauweise energiesparende Pendlerzug punkte dank seiner "flexiblen Röhre" mit einer modularen Innenausstattung und könne individuell optimal an Kundenwünsche angepasst werden, unterstrich Siemens Mobility-CEO Sabrina Soussan.

Erstmals in einen Serienzug eingebaut sind speziell beschichtete Fenster, die von Siemens-Forschern in Wien entwickelt wurden. Sie lassen Mobilfunkwellen bis zu 500 mal besser durch als konventionelle Wärmeschutzverglasungen. "Wir sind zuversichtlich, dass diese Technologie auch bald bei anderen Fahrzeugen eingesetzt wird", heißt es dazu aus Wien.

Big Data macht Wartung effizienter

Der Konzern baut den RRX nicht nur, sondern übernimmt auch die Wartung. "Das beeinflusst die technische Planung, weil die Ingenieure natürlich zukunftsorientiert denken, während der Kunde gerne das bestellt, was er schon kennt", hieß es dazu von einem Ingenieur vor Ort. So werden alle Komponenten im Dach oder Unterflur verbaut, was die Wartung erleichtert.

Diese läuft auch dank Digitalisierung und Big Data künftig wesentlich wirtschaftlicher ab, denn bereits im Zug werden durch eine ausgeklügelte Mess- und Sensorentechnologie unzählige Daten erhoben und gelangen über Funk an das Data Center in München. Von dort werden sie ins sogenannte Depot weitergeleitet. Noch ehe der Zug hier eintrifft, ergeht ein Arbeitsauftrag an die Mitarbeiter. Diese können, sobald er ankommt, ohne Zeitverzögerung mit der Arbeit beginnen, sei es eine planmäßige Wartung oder die Untersuchung einer Auffälligkeit, die gemeldet wurde.

Velaro Novo schielt auf internationale Märkte

Mit einem bis zu 30 Prozent geringeren Energieverbrauch als bisherige Velaro-Modelle soll der neue Hochgeschwindigkeitszug, der mit bis zu 360 Stundenkilometern unterwegs sein und offiziell auf der Bahntechnik-Messe InnoTrans 2018 vorgestellt wird, auskommen. Das Gewicht konnte dank Leichtbauweise um 15 Prozent reduziert, dabei um zehn Prozent mehr Platz für Passagiere geschaffen werden. Die Wagenkästen folgen dem Prinzip der "leeren Röhre", was eine hohe Gestaltungsfreiheit im Bereich der Innenräume mit sich bringt. Nach fünf Jahren Entwicklung könnte der Velaro Novo ab 2023 fahren - sofern bis dahin Bestellungen vorliegen.

Noch ist der Zug nicht physisch angreifbar, seit dem Frühjahr fährt aber ein Testwaggon, integriert in den ICE S der Deutschen Bahn, durch Deutschland, an dem die erstmals konstruierten vollverkleideten Drehgestelle, die elektrischen Bremssysteme und Aluminium-Leichtbauprofile aus dem Flugzeugbereich auf ihre Tauglichkeit hin überprüft werden. Denn auch wenn der Zug im 3D-Labor entstanden ist und für Design und Planung moderne Simulationstechnologien eingesetzt werden, wolle man Siemens zufolge nicht auf einen echten Testbetrieb verzichten.

Die Mobilitätssparte von Siemens soll nach der Genehmigung durch die Wettbewerbsbehörden mit dem französischen Konkurrenten Alstom fusionieren und damit nach China zum zweitgrößten Zugbauer der Welt werden.

(APA/red, Foto: APA/APA (dpa))

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